Über Fairness im Dienstleistungsgewerbe: pitch as pitch can

Vorweg eine Einladung. Falls Sie in einem werbetreibenden Unternehmen tätig sind und gerade nach einer Agentur suchen, die bereit ist, kostenlos zu arbeiten – ich kenne eine...
Und nun zu der Geschichte dazu:

Kurzfristig spritziger Text gesucht, hieß es am Mittwoch letzter Woche in einer Mail an mich, und als ich das dazugehörige Schreiben las, dachte ich gleich, dass der Absender mehr als Recht hätte. Ich zitiere und erläutere mal eben die schönsten Auszüge – Rechtschreibung und Zeichensetzung sind unverändert, die fiesesten Schubladenformulierungen habe ich kursiv gesetzt:
...wir sind eine kleine, aber feine Werbeagentur aus ...
...mit dem Focus auf hochwertige Print- und Online Werbung...
...kurzfristig sind auf der Suche nach überzeugenden spritzigen Texten für eine bevorstehende Werbekampagne mit dem Titel "*********"....

...geht hier um eine Sonnenbrillen-Aktion, für die wir einen schönen Sonnentext für Verkäufer und Endverbraucher benötigen.

...Anbei finden Sie einen Flyer, der mit kurzen Sätzen betextet werden soll. Es soll deutlich werden, dass der Verkäufer mit ********** noch bessere Umsätze erzielen kann.
So weit so wenig, dann schließlich kam man zum Punkt:
...Wenn Sie Interesse an der Betextung der gesamten Kampagne haben, bitten wir Sie uns als Probetext diese kurze Betextung zukommen zu lassen. Da die Angelegenheit ziemlich kurzfristig ist, ist der Termin hier spätestens Donnerstag Abend, allerspätestens Freitag früh 9 Uhr.

Sobald wir anhand dieses Textes eine Entscheidung getroffen haben,
setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung. Schon jetzt vielen Dank und schöne Grüße...
Ich bin nicht mehr jung und ich brauche das Geld, also habe ich angerufen und mehr pro forma gefragt, ob ich das richtig verstanden hätte, es also für diesen Text kein Geld geben solle.
Doch, das hätte ich.  Und ob es denn noch mehr Briefing gäbe als das (mit dem einen oder anderen Tippfehler gespickte, also offensichtlich noch grobe) Layout. Nein, das gäbe es nicht und es wäre schon ziemlich final, das Layout. Ob ich nicht vielleicht ein wenig mehr über den Kunden wissen dürfte, Positionierung, Claim, Unternehmensphilosophie, oder auch nur den Namen. Nein, durfte ich nicht.

Aus dem anfangs des vorherigen Absatzes genannten Grund machte ich dann trotzdem einen Text, basierend auf der der Mail angehängten PdF-Datei. Diesen kostenlosen Probetext versandte ich dann am letzten Donnerstag. Und fragte am Freitag telefonisch nach, ob alles gut angekommen wäre. Doch, man würde jetzt meinen und die Texte der anderen ins Layout einbauen und dann sähe man weiter.

Am Montag kriegte ich die abschließende Antwort:
Sehr geehrter Herr Thiessen,

herzlichen Dank für Ihre Vorschläge.
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir uns für einen Mitbewerber entschieden haben.

Viele Grüße, ***********
Fasse ich also mal zusammen:
Die kleine, aber feine Agentur deren Namen ich hier höflich verschweigen will, lädt gleich mehrere Texter zu einer Art kostenlosem Pitch ein. So wahnsinnig fein ist es nicht, zum Beispiel, einen Möbeltischler mit dem Auftrag zu winken, er dürfe ein Wohnzimmer einrichten – erstmal solle er aber kostenlos ein Probeschränkchen zusammenbauen.
Auch in der Eisdiele bleibe ich wohl auch künftig erfolglos mit dem Ansinnen, gratis ein paar Kugeln verschiedener Sorten probieren zu wollen, ehe ich eventuell den Kauf eines Erdbeerbechers mit Sahne in Erwägung ziehe.
Übrigens ist die Agentur nicht nur in Gelddingen sparsam: Eigentlich notwendige Informationen sind sowas von topvertraulich, dass beteiligte Texter zum Schreiben auch ’ne schwarze Binde um die Augen legen könnten – der Text würde nicht notwendigerweise schlechter.
(Um beim Möbeltischler zu bleiben: Bau mir einen Schrank, aber ich verrate Dir nicht, aus welchem Holz er sein soll. Und die Deckenhöhe schon mal gar nicht.)

Man merkt wohl: mich ärgert das.

Am meisten ärgere ich mich über mein eigenes Verhalten, nämlich, dass ich mich, in Eile und unaufmerksam, überhaupt darauf eingelassen habe. Ich hätte es riechen müssen.

Ich hab's mir soeben versprochen: Das kommt nicht wieder vor.



2 Kommentare:

Kiki hat gesagt…

Wenn ich zum Zahnklempner gehe, macht der mir einen KV für die Kasse. Dieser KV kostet irgendwas zwischen 20 und 20 Euro, den genauen Betrag habe ich vergessen. Ohne den KV erstattet die Kasse später nicht die Kosten. Ich überlege gerade, was meine Kunden wohl sagen würden, wenn ich meine Angebote – in deren Erstellung durchaus i.d.R. einige Zeit geflossen ist – mit pauschal 25€ oder so in Rechnung stellen würde. Kunden, die ihren Kunden wiederum nicht die Uhrzeit sagen würden, ohne anschliessend die Hand aufzuhalten.

Als Kreativer ist man immer der Depp.

Unknown hat gesagt…

Das darüberhinaus Schlimme, Kiki, ist die Tatsache, dass hier eben Agenturen die Scheiße, die nie auszulöffeln sie geschworen haben, direkt den freien Mitarbeitern in die Schüssel gießen und dazu sagen: is lecker.