Freiheit, die ich weine.

Vor, wenn ich richtig rechne, 25 Jahren, bekam mein guter Freund, der freie und damals noch erfolgreiche Journalist Hans-Georg Behr mal wieder einen Auftrag der damals noch existierenden "Zeitgeist"-Zeitschrift TEMPO. Er hatte schon diverse Artikel für das Blatt geschrieben, in diesem besonderen Fall hatte man ihn angerufen, weil, wie der Chefredakteur Markus Peichl fand, das Thema perfekt zu ihm passen würde: STERN-Autor Niklas Frank hatte mit seinem Vater, dem 1946 hingerichteten Nazi Hans Frank, auf sehr persönliche Wiese abgerechnet, und zwar in seinem Buch "Der Vater". Und wel Hans Georg-Behr schließlich auch einen Nazivater hatte, schien es Peichl eine gute Idee, durch ihn eine Kritik, sozusagen von Nazikind zu Nazikind schreiben zu lassen.
Hans-Georg Behr schrieb. Und schickte sein Manuskript an den TEMPO verlegenden Jahreszeiten-Verlag.

In der nächsten Ausgabe der TEMPO erschien ein Artikel, bei dem allerdings nur noch der Name Hans-Georg Behr von ebendem stammte. Markus Peichl bzw. dessen Redaktion hatten den sehr persönlichen Text bis zur Unkenntlichkeit "umgeschrieben". Weder stilistisch noch inhaltlich hatte das Ganze noch etwas mit Behr zu tun.
Behr bat um Aufklärung und erfuhr, man hätte den Text verbessert. Es gab diverse Herumbrüllereien am Telefon, gereizte Schriftwechsel, allerdings gab der Chefredakteur nach wie vor der Meinung Ausdruck, richtig gehandelt zu haben und war auch nicht zu einer veröffentlichten Richtigstellung oder Gegendarstellung bereit.

Also klagte Hans-Georg Behr gegen den Jahreszeiten-Verlag. Und gewann. Ja, er bekam sogar noch 10.000 Mark zugesprochen. Einen Teil dieses Geldes investierte er in eine rauschendes Fest, zu dem er ein Lokal anmietete und die Kellner anwies, kein Sektglas je leer werden zu lassen. Es begann um 15:00, gegen 21:00 ging ich sturzbetrunken nach Haus. Hier verschwimmt meine Erinnerung ein wenig, aber ich meine, sogar der Justitiar der Gegenseite war zu Gast und gratulierte Hans-Georg Behr von Herzen.

Nach diesem Sieg und dem anschließenden Fest bekam Hans Georg Behr über viele Jahre keinen Auftrag mehr von irgendeinem in Hamburg verlegten Magazin. Er hatte sich, so später seine These, für die großen Verlage endgültig verbrannt, weil er darauf beharrt hatte, als Urheber ein Recht auf seinen Text zu haben und damit ein Recht, zu entscheiden, wie dieser Text ver-oder bearbeitet wird. Man könnte sagen, natürlich hatte er dieses Recht. Ganz offiziell hat das jeder, der was erdenkt und schafft.

Aber genau da liegt, heute wie damals, das Problem, insbesondere für alle freie Tätigkeit. Viele, zuviele Auftraggeber können sich nämlich einfach damit nicht abfinden und formulieren – mal mehr, mal weniger offen – die folgende Wohlverhaltensregel für freie Autoren/Fotografen/Illustratoren etc.:
Und wenn sie dich auch haut, beiß nie die Hand, die dich füttert.
Was bleibt: Wer Recht hat, gibt einen aus. Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit.