Üble gestalten – Kritik des zeitgenössischen Kriminalromans


(Ich fang mal ganz früh an, bzw. ganz früher, zu Zeiten, als Musik noch nicht über iTunes, sonder übers Cover des Tonträgers verkauft wurde. Dieses Früher meine ich. Da fang ich mal an. Los also.)

Früher war es einigermaßen einfach, Musik zu kaufen. Das ging so:
  • Frakturschrift auf dem Titel = Heavy Metal,
  • Monster und Frakturschrift = Ganz Heavy Metal mit  schrecklichen Soli,
  • Surrealismus = Poprock für junge Intellektuelle (Pink Floyd, Yes, Asia, Supertramp)
  • Geklebte Schriften, grelle Farben, zickzackige Typo: Punk, später New Wave
  • Schwarzweißfoto = Jazz
  • und so weiter. 
Aber nach und nach wurde es komplizierter. Die Punkgruppe the Clash zitierte mit "London Calling"plötzlich ein Elvis-Cover, in einem neonrosa Karton mit zickzackigen und schwarzweiß illustrierten Musikern steckte eine Rockabilly-Platte, ein Mädchen im Dirndl hieß Fräulen Menke und machte NeueDeutscheWelle – auf das Musikkaufen nach Optik war kein Verlass mehr.  
War ja auch fast egal.  Ein CD-Cover ist ja auch viel kleiner als der noch bis Mitte der Achtziger allgegenwärtige Pappschuber der LPs, die immerhin 30 cm Durchmesser hatten.
Da lohnt ja das Gestalten kaum.

Und heute? MP3 Dateien. Nichts zu sehen. Nicht der kleinste Hinweis, was sich hinter dem Icon verbergen könnte. Groß ist die Verwirrung und orientierungslos kopiere ich meine alten CDs auf den Rechner, weil ich mir dann beim Hören das Cover wenigstens noch vorstellen kann.

(So. Das war die Einleitung. Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema.)

Mir scheint es nämlich so, als sei nur in einem einzigen Bereich des großen bunten Marktes der Unterhaltungsmedien noch eine gewisse Orientierung nach Optik möglich.
Ich meine Bücher.
Genauer: Krimis.
Und da vor allem Skandinavienserienmörderkrimis und flankierende bzw. sich daran orientierende.

Die gehen nämlich so:

Als erstens brauchen wir einen Hintergrund: Weiß ist okay. Muss aber irgendwie auch grau aussehen, ein bisschen schmuddelzwielichtig.  Wolkenhimmel ginge auch. Hell halt. Und ein bisschen dreckig.So was: 


Irgendwas gegenständliches muss noch drauf. Darf gern mit zum Titel passen, muss aber nicht. Skalpell ist zu oft gewesen, Axt oder Revolver auch. (Wenn gar nichts geht, geht auch das.) Ich nehm einfach mal ‘ne unordentliche Kinderzeichnung. Das wirkt, auch emotional, meine ich. 


So. Jetzt noch den Titel drauf.
Dafür greifen Verlage gern zu einer schick angefressenen Schrift. Gerne rot.
 

Ach ja, fast vergessen:  Autor, Genre (sicherheitshalber) und Verlagslogo müssen ja noch.


Fertig?
 
Fast.
Denn den Titel prägen wir jetzt noch. Und vielleicht ist auch noch Geld für Drucklack da. Da wirkt das Ganze höherwertig.


Supertitel. Und ich weiß sofort, welches Buch ich nicht kaufen möchte.

Andererseits (– und damit komme ich zum eigentlichen Auslöser dieser Gedanken – )
hat die Autorin Zoë Beck mit „Brixton Hill“ einen tollen Krimi jenseits der momentan angesagten Moden geschrieben, den ich wohl nicht gelesen hätte, wäre ich nach dem Buchtitel gegangen.


Denn der ist so was von modisch. Außer vielleicht dem Grün.
Und ich hätte unter Umständen gar vermutet, dass Brixton Hill der Autor des Thrillers "Zoë Beck" ist, eines Buches, in dem die Nichte von Kommissar Beck... geschenkt.

Fazit: Nicht mal auf Krimititelseiten kann man sich mehr verlassen.