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Schöner fremder Mann

Ich stell den Fernseher an. Weil ich ein altmodischer Mensch bin, ist es ein altmodischer Fernseher – er bietet mir die über Kabel frei verfügbaren Sender, kein Streaming, kein Sky oder sonstigen Kram, für den ich extra zahlen müsste, aber nicht will.

Ich bin Werber, da kann ich auch die Werbung akzeptieren.

Wenn's mir auch zusehends schwerer fällt: Denn während mir beim ZDF am Vorabend vorwiegend Produkte für einen ältere Generation angedient werden, zu der ich noch nicht unbedingt gehören möchte (Imodium akut, TENA Harninkontinenzwindeln, Tabletten, die ich gleich wieder veregesse, weil ich sie nicht nehme, etc.), bewerfen die Privaten mich mit Websites.

Reise-, Hotel-, Auto-, Kredit- und alle weiteren denkbaren Vergleichsportale hauen mir fies animierte und mit blockigen Buchstaben lautgestellte Screenshots um Augen und Ohren, dass ich mich fast wieder nach dem gerontophilen ZDF-Wrebeblock sehne – und mich wirklich freue, wenn in all dem Geschrei mal ein stilles, erholsam-freundliches Gesicht auftaucht.
Es geht wahrscheinlich nicht nur mir so.

Bei Ab-in-den-Urlaub.de hat man das erkannt.

Der mag mich, der meint mich.
Ob Traumreisen oder Traumpreise – egal, in welche Richtung die unterschiedlichen Spots dieses ansonsten knallbunten Brüllportals zielen, zwischendurch sehe ich immer wieder einen Herrn im T-Shirt, der mir stumm und freundlich zulächelt, der mir mit gehobenem Daumen sagt: "Halte durch!" und auf mich zeigt "Du bist okay!", der mir einen kurze, verschwörerische Ruhepause in dem Gedonner gönnt, das dann auch gleich unvermindert fortgesetzt wird.

Der ist für mich da.
Doch, ich finde ihn irgendwie sympathisch, was auch daran liegen kann, dass mir sein Gesicht bekannt vorkommt. (Und man mag ja nur das, was man kennt – zu sehen auch an der aktuellen "Flüchtlingsdiskussion".) Irgendwoher kenne ich ihn.

Aber wer ist der?
(Und was hat der dicke Mann da rechts hier zu suchen?

Kann mir jemand sagen, wer das ist?

Ist das der Mann, der früher "Wetten, dass" totmoderiert hat? Oder war der mal im BigBrother-Container? Ehemaliger Verteidigungsminister? Präsident von irgendwas? Oder Rex Gildo? (Ach nee, der ja nicht.) War der Mann mal mit Heidi Klum oder Sylvie Meis zusammen? Daniel Kehlmann?

So beruhigend ich sein Auftreten finde, so nervös macht mich, dass ich nicht drauf komme.

Kann mir wer helfen?
Danke im Voraus.

Der Charakterdarstellerdarsteller

Fotograf: Bitte so hinstellen,
dass man das Logo gut erkennen kann.

TV Movie, das 14tägliche Fernsehflachblatt der Bauer-Verlagsgruppe, platziert in Ausgabe 16/2015 mitten ins Programm* eine ganze Seite mit einem sorgfältig bei Wikipedia recherchierten Loblied auf Samuel Finzi (?), offenbar einen großartigen Mann:
"Er ist einer der renommiertesten Charakterdarsteller (...) der auf der Bühne ebenso brilliert wie im TV oder auf der großen Kinoleinwand."
Und tatsächlich: Wer erinnert sich nicht seiner Kunst in der ZDF-Krimiserie "Flemming", der Rolle des Gerichtsmedizineres beim Kieler "Tatort" wer entsinnt sich nicht seines nuancierten Spiels in den legendären Komödien "Kokowäh" und "Kokowääh 2"?
(Ich. Ich erinnere mich nicht. Die Schweiger-Filme habe ich gern verpasst. Für "Flemming" im ZDF war ich damals, mit 55, zu jung, und beim Kieler Tatort ist mir der Gerichtsmediziner nicht weiter aufgefallen. Doch sei's drum:) TV Movie lässt schickt einen Reporter in die
"Toscana nahe Florenz. Mit einem landestypischen "buona sera" (dt. Guten Abend") begrüßt er uns.
Und dann wird knallhart nachgefragt:
"Herr Finzi, Sie kommen gerade von einer Testfahrt mit dem neuen SKODA Superb....
SAMUEL FINZI: Ja, ein wirklich tolles Auto. Ich fahre bereits das Vorgängermodell. Aber diese Limousine ist vom Design und dem Platzangebot her noch mal eine Steigerung."
Ja, und nachdem die Seite im Heft auf diese Weise finanziert ist, darf Herr Finzi auch noch ein bisschen über sich selbst erzählen (lassen).

Redakteur: Ist das nicht zu dick?
Chef: Das merkt keiner.

Da geht es um die neuen amerikanischen Serien und deren unkonventionelle Erzählweise und Besetzung, und auf die Frage, ob so was auch in Deutschland ginge, sagt Herr Finzi – genau nach Skript – etwas, das verdient, in die Überschrift aufgenommen zu werden – was dann auch passiert:
"...es gibt Redakteure, die sagen: das wird vom Zuschauer nicht verstanden. Alles muss bei uns erklärt werden. Dabei ist der Zuschauer nicht dumm."
Im Gegensatz wohl zum Leser von TV-Movie, von dem Finzi und der Redakteur offenbar vermuten, er würde die ein bisschen zusammenhanglose Erwähnung eines SKODA in diesem Interview nicht sofort als das identifizieren, was es ist: Schlechte Schleichwerbung.

Ein finziger Schritt für die Schauspielkunst,
ein großer Gewinn's Marketing.

Gut, dass der dumme Leser weiterliest, denn Finzi sagt noch, er hätte in seiner
"Jugend wahnsinnig viele Filme aus Frankreich, Italien und den USA gesehen mit Schauspielern wie Marcelleo Mastroianni, Michel Piccoli oder Marlon Brando. Die sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben und beeinflussen meine Arbeit."

Leider war dieser Einfluss nicht stark genug: wenn man mit solchen Lehrmeistern Filme geguckt hat, sollte man doch  gelernt haben, dass ein schlechtes Skript auch auf den Darsteller zurückschlägt.

Nachdem ich schließlich alles Uninteressante über Finzi, SKODA  und Serien erfahren habe, unterzeichnet ein Jörg Ebach den Artikel und fährt wieder nach Haus in die Redaktion. Und ich bin fast ein bisschen stolz, dass ich kein Journalist geworden bin, sondern einfach ein ehrlicher Werbetexter.




*Schon diese Platzierung macht stutzig: Hier gilt nämlich wie im TV, dass das Programm hin und wieder durch Werbung unterbrochen wird. 

Abschied von der Neuen Präpositionalen Küche

Leser. Lasst uns verspätet Abschied nehmen vom Meisterkoch Albert Bouley, der bereits im April 2013 verstorben ist und dennoch immer unvergessen sein wird als der Koch, der schwäbische Küche und die Leichtigkeit der französchen Nouvelle Cuisine auf unvergessene Weise zu neuer Raffinesse verband, ja, vereinigte.

Doch wollen wir heute nicht seiner Küche als vielmehr seiner Methode ihrer Beschreibung gedenken, die sich mit unerhörten Kombinationen von Attributen und Konjunktionen in unsere Hirne schlich – derart nachhaltig, dass heute manches ganz banale Rezept durch eine fast unanständige Orgie von Präpositionen zu wenn nicht Höherem, so allerwenigstens zu Höherpreisigem sich aufschwingt.

Nun fragt Ihr mit Recht, Leser, was mag ich wohl meinen? Der Antworten sind einige, und deren jede wiederum braucht nur zwei, drei Buchstaben:
An, auf, von sind die berühmtesten. Ich will das erklären.

Nehmt nur die weihnachtliche Entenbrust mit Orangensoße, reicht dazu auch Rotkohl in Blätterteig.
Mag sein, das Wasser läuft dem Gourmet schon jetzt im Mund zusammen, doch steigert sich die Vorfreude zum Sturzbach aus Speichel, wenn wir stattdessen sagen:
Entenbrust an Orangensauce, dazu Rotkraut auf einem Bett von Blätterteig
...an...auf...von... perlt es von der Speisekarte, die übrigen Zutaten sind schon ganz egal, und ist am Ende noch vom Bett die Rede, freut sich der ganz und gar entmenschte Appetit gleich auf oral dem Gaumen zugefügte Orgien, ja Orgasmen des Geschmacks.
Doch ach, verkommen längst sind die einst so verführerischen Einsilber, gesunken, ja gefallen sind sie und dienen heute auch dem übelsten Kellenschwenker als allseitig verfügbare Huren, Vetteln  und Schlampen, die libidinös zwar noch klingen, doch das Aroma von Frittenfett, den Gestank des faulig sich nahenden Todes, kaum mehr zu bedecken vermögen.
So las ich jüngst in einer kulinarisch gemeinten Kritik eines griechischen Restaurants:
Fleisch an Fleisch auf einem Bett aus Fleisch
Zwar war ich geneigt, diese Schlagzeile als Parodie zu würdigen, doch andererseits machte sie mir auch den Ennui deutlich, der mir an solchen Beschreibungen auf Speisekarten von mediokren Restaurationsbetrieben erwachsen ist.
Will sagen, ich sehne mich nach einer neuen Entdeckung des ganz Einfachen. Konzentriert Euch auf das, was Ihr könnt, liebe Köche. Kocht raffiniert, meinethalben. Aber formuliert einfach. Und erspart uns Essern die ewigen Variationen von Intermezzi auf Betten von Plattüden.

Denn das ist, seien wir ehrlich, Quatsch mit Soße.
Oder, wie Boley selig geschrieben hätte, wenn er nicht tot wäre:
Quatsch an Sauce.




Siehmaleineran, Hörzu!

Mein Köterplakat (1984),  Remake 2014

Schon vor eineinhalb Jahre  habe ich mich hier über eine Plakatkampagne der Fernsehzeitschrift Hörzu ausgelassen, die irgendwelche Prominenten zeigt, und sie kennzeichnet mit "Eine/r, der/die Hörzu zuhause hat."
Die Kampgne ist topaktuell. Die Originalkampagne allerdings ist 30 Jahre alt: sie warb auch damals mit nahezu identischem Layout und gleicher Zeile für jenes Blatt, das damals sogar noch Deutschlauflagenstärkstes Programmheft war. (Heute nur noch erstes, nach dem Jahr der Gründung.)

Auch vor 30 Jahren war ich Grafik-Assistent in der damals zuständigen Agentur. Und einer meiner erste Jobs war das Scribbeln von Motiven für die errwähnte Reklame. Ein Motiv wurde realisiert:
Ein großer Hund hält das zusammengerollte Magazin in der Schnauze.
Drunter steht "Einer, der Hörzu nach Hause tragt." Das Bild fand sich auf Tragetaschen und Plakaten.

30 Jahre später:
Die Hörzu ist inzwischen von Springer an die Funke-Gruppe vertickt.
Der damals fotografierte Hund ist lange tot.
Die damals zuständige Agentur ist verkauft, umbenannt, weg.

Aber die Idee ist gut.
Also hat die heute zuständige Agentur einen neuen geknipst...

Wow bzw. Wau. 
Irgendwie blöd, dass nur der Hund bereits verstorben ist.
Ich lebe noch. Ich bin immer noch eitel.
Und mein Gedächtnis ist auch noch ganz gut beieinander.

Och, nö.

Sie hat jedem in der Klasse geschriben. Sogar die den Mädvchen. Und auch sollen wir alle gleich ein paar Jahre, und dass findig doof. Außerdem glaub ich ihr nicht. Die tut nur so lieb.

In eigener Sache: Die Glocke ist da.

Loch in Erde, Bronze rin, Glocke fertig, bim bim bim. (Wenn's mal so einfach wäre...)
Genauer: Meine Erzählung "Die Glocke: Das alte Lied" ist endlich als eBook erhältlich.
Zu verdanken ist das Zoë Beck und Jan Karsten vom Verlag Culturbooks. Die mögen den Text.
Und nun hoffe ich, dass er viele Leser findet, die ihn ebenfalls mögen.
Bestellen kann man ihn (z.B.) hier.

So sieht's aus. Damit dürfte ich
einer von Deutschlands ältesten Jungautoren sein.



Teure Chinoiserien und fernöstliche Naïveté

Schon merkwürdig.

Vor an die hundert Jahren haben gebildete Mitteleuropäer sich die Salons und Kleiderschränke für teures Geld mit asiatisch anmutendem Kram vollgemacht und diese Mode mit Titeln wie "Chinoiserie" zu veredeln gesucht.
Heute bemühen sich chinesische Täschnereigroßbetriebe (aber auch dortige Hersteller von Motorsägen, Eierbechern und überhaupt jedem denkbaren Krimskrams) mit großem Engagement darum, westlich-europäische Markenprodukte weitestgehend nah am Original zu imitieren.
Aber eben nicht, weil sie die Marken so mögen täten, sondern vielmehr wegen des damit zu verdienenden Geldes. Also auch nicht, um dies Zeug dann im heimischen Haushalt zu verwahren, sondern, um über Webseiten wie die hier zu verticken. (Nun frage mich keiner, wie und warum ich auf diesen Online-Shop gestoßen bin.) Und so wollte ich mich auch erst über die Frechhheit der Chinesen* empören, die hier versuchen, Kunden mit Markenmogeleien das Geld aus der Tasche zu ziehen –  bis der Text auf der Website zum Thema "Wir über uns" sogleich ein breites Lächeln auf mein Gesicht gezaubert...
Ich zitiere (und hebe einzelne Bemerkwürdigkeiten unauffällig farbig hervor):
Lieber Freund, herzlich willkommen auf unserer Longchamp Shop zu besuchen. Hier ist das Aufmarschgebiet für Schönheit, Mode und Persönlichkeit, und wir verkaufen alle Art von Taschen, Behälter, Taschen und so weiter, haben jeden von ihnen unterschiedlicher Größe und niedrigster Preis.
Wie wir haben ein professionelles Team und wir betonen, dass Kunden die Interessen über alles andere und unsere Kunden in der ganzen aufrührerische, surrealistische, die Tasche sehen Sie in unserer Website unbedingt die neuesten und heißesten. Und die Produkte die wir verkaufen, haben die höchste Qualität und niedrigster Preis so alles, was Sie tun müssen, ist hier einkaufen, ohne Zweifel.
Und nachdem Sie bezahlt haben wir senden Ihnen die Bestätigung und alle Ihre persönlichen Daten werden nie Offenlegung oder verkauft werden. So, nachdem Sie eine oder mehrere in unserer Website kaufte das einzige, was Sie tun müssen, ist auf den Postboten warten auf die Sende-Paket an Sie Tür."

Das hat mich natürlich überzeugt.
Meine misstrauische Frau aber riet mir, auch noch mal nach den Datenschutzmodalitäten zu schauen und, siehe da, auch hier gab's fundierte Informationen unter einladend leckerem Titel:
Kekse
Und da wusste ich, wer so lustig und liebevoll lügt, kann nicht vollkommen schlecht sein. Wir haben dann gleich drei Taschen (Typ: Shopper Weinrot Tote Dame) bestellt.

*Die Themen wie dieses besprechenden Foren
im Netz jedenfalls schieben alles auf China
– da will ich nicht widersprechen.

Wie nennt man eigentlich das Gegenteil von Euphemismus?

(Vorweg für alle, die mit diesem Wort doch etwas fremdeln: Ein Euphemismus ist ein schönfärbendes Wort, ein Begriff, der Schlimmes oder Häßliches harmlos und freundlich klingen lässt oder lassen soll. Ein "Entsorgungspark" z.B. kann eine Anlage zur "Verwertung" von "Wertstoffen" sein, zu deusch: eine Fabrik zur Verbrennung von Plastikmüll oder zum Verbuddeln von Castoren. 
Unsere Sprache ist voll von solchen Euphemismen. "Casting-Show" ist das schönere Wort für "Öffentliche Demütigung", "Gefahrengebiet" wurde jüngst zum Zweitnamen für die merkwürdige Vermischung von Exekutive und Legislative, und schon seit Längerem kann die "geordnete Insolvenz" (also: die absehbare Pleite) einen Mitarbeiter unter die Betreuung der "Arbeitsagentur" zwingen und wer das mal erlebt hat, kriegt, im Wortsinn, einen völlig neuen Begriff vom Begriff "Kunde."

So weit, so ungut, ich will das hier nicht vertiefen. Ganz im Gegenteil.)

Mir geht es eben um das:
Es gibt da eine seit Jahrzehnten erfolgreiche und kreative Werbegentur, die vertritt – von der ersten Minute ihres Bestehens an – die folgende Philosophie* Die Agentur verkündet, dass Marketing-Kommunikation in Zeiten der freiwilligen Mediennnutzung attraktiver denn je sein müsste. Da hat sie Recht, die Agentur. Und schließt daraus messerscharf, Marketing-Kommunikation müsste ein Geschenk sein... – und bis hier folge ich noch, aber dann nicht mehr: – ein Geschenk wie das Trojanische Pferd.


Screenshot (Ausschnitt) der Agentur-Website:
Das Denken den Pferden überlassen?

Hallo?

Meinen wir den Holzgaul, der den Trojanern nach Jahren der Belagerung durch die Griechen vor die Tür gestellt wurde? Das Pferd, das die Trojaner als Abschiedgeschenk der scheinbar kapitulierenden Belagerer missverstanden und auch gleich in die Stadt schleppten? Also meinen wir tatsächlich dieses sich als freundlicher Klepper tarnende Versteck für eine Handvoll blutrünstiger griechischer Krieger, die nachts, als alle Trojaner schliefen, deren Untergang besiegelten? Echt?
Echt.
Denn das Trojanische Pferd findet sich sogar im Logo der Agentur, das wiederum schön groß auch auf seine Fassade* gemalt wurde.
Hm.
Also muss ich bei erfolgreicher Marketingkommunikation nach der Definition dieser Agentur immer damit rechnen, das meine Familie – natürlich nur in übertragenem Sinn – massakriert und mein Heim – selbstverständlich nur bildlich gesprochen – niedergebrannt wird? Das will ich aber gar nicht. Das finde ich nicht gut.

Womit ich bei der Antwort auf Anfangsfrage wäre: Natürlich gibt es ein Wort für das  Gegenteil von Euphemismus. Es heißt Dysphemismus. Diese rhetorische Figur wird bevorzugt in politischen oder gesellschaftlichen Konflikten  angewandt, indem z.B. Autonome durchweg als Chaoten und Polizisten von der Gegenseite zu Bullen ernannt werden... das Übliche halt.

Aber in der Werbung?
Na ja, wie findet doch ein leitender Mitarbeiter dieser Agentur: Hauptsache, man redet drüber, – egal was. Weshalb wohl diese steile Selbstbeschreibung immer wieder und wieder varriiert, vertieft wiederholt und penetrant penetriert wird.

Liebe Leute: Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Das gilt auch in der Reklame.




*Auch so ein Quatsch, dass jede Firma gleich eine "Philosophie", gar ein "Credo" vor sich her trägt, wo man froh sein muss, wenn sie eine Haltung  hat.
**Das erwähnte Pferdebild übrigens blieb über Jahre unbeschädigt, und das mitten im Schanzenviertel. Erst im Sommer ist da einigen Leuten wohl die Botschaft klar geworden ("...oha: Gentrifizierung!") und die haben dann zu Farbbeuteln gegriffen.

Zweitausendeins heulende Höllenhunde!

Zweitausendeins.

Ich hab den Film erst spät gesehen, den dazugehörigen Versand relativ früh.
Um 1974 fing ich nämlich an, die Zeitschrift Pardon zu lesen, eine – soviel für meine jüngeren Leser – Satirezeitschrift, in der so ziemlich sämtliche Vertreter eines Humors veröffentlichten, der später unter "Neue Frankfurter Schule" lief und in der Titanic seine Fortsetzung fand. Und in dieser Zeitschrift gab es (außer der Werbung für Drehtabake) merkwürdig wimmelig zugetextete Anzeigen eines Buchversands, die ich richtig gern las. Die waren nämlich richtig gut geschrieben, besser als der Großteil der damaligen Reklame, besser auch als das meiste, was heute so weggeworben wird.
(Ich will mich nicht so weit versteigen, dass diese Texte mich dazu bewegt hätten, evtl. Werbetexter werden zu wollen, aber zumindest begriff ich, dass auch solche Texte Freude machen können.)

Irgendwann las ich nicht nur, ich bestellte auch: Das Rolling-Stones-Songbook beispielsweise, das von Zappa, Gedichte von Bukowski, La femme 100 têtes von Max Ernst (hab ich heute noch) und natürlich auch die Trilogie von Henscheid, die Gedichte von Gernhardt, WimS (hab ich auch alles noch), die Crumb-Skizzenbücher (hab ich) und so weiter und so weiter.
Und weil ich inzwischen in Hamburg wohnte, war ich auch regelmäßig im inzwischen eröffneten 2001-Laden im Univiertel und drängelte mich zu Gorey-Remittenden oder merkwürdigen amerikanischen Weltmusik-Samplern durch.

Irgendwann um 1994/1995 lernte ich den Chef kennen. Lutz Reinecke (geb. Kroth) war zu Besuch bei einem Freund, um mit ihm die Neuauflage seines Buches "Von Hanf ist die Rede" zu besprechen. Hans-Georg Behr hatte dieses Buch Jahre zuvor im Schweizer Sphinx-Verlag veröffentlicht und sich später sehr darüber geärgert, dass Matthias Bröckers und Jack Herer (zwei auch irgendwie von Hanf Begeisterte) sich für ihr bei 2001 erschienenes Buch "Hanf" offenbar in Teilen stark durch Hans-Georgs Buch hatten inspirieren lassen. Nach der ersten Aufregung darüber hatte er dann einen Brief an Kroth geschrieben und vorgeschlagen, sozusagen als Entschädigung den lange vergriffenen Band* neu und aktualisiert aufzulegen.
Merkheft #134, März/April 1995
Das hatte insofern Folgen für mich, als Hans-Georg mich bat, den betreffenden Anzeigentext im 2001-Katalog zu schreiben. (Hey! Zurück zu den Wurzeln.) Dieser Text machte offenbar nicht nur mir Spaß, denn danach durfte ich ein zwei Merkhefte lang auch weitere Bücher des Versandhauses bewerben – bis sowohl Kroth als auch ich die Lust verloren. Denn meist sollten diese Texte nur aus einer irgendwie lustigen Überschrift bestehen und darunter aus zusammengestoppelten Zitaten manchmal sehr obskurer Rezensionen. Und die beworbenen Bücher-Remittenden waren in der Mehrheit schlicht fad und nicht ohne Grund Remittenden. Also haben wir's dann wieder gelassen.

Titeillustration Alfred Hrdlicka
Ein paar Jahre später hab ich dann immerhin noch ein Buch von Hans-Georg layouten dürfen.  "Winifred und Wolf" verkaufte sich überhaupt nicht: Wer* will schon ein aus Originalzitaten von Hitler, Wagner und Winifred Wagner montiertes Theaterstück lesen? (Ein im übrigen sehr schönes Theaterstück, das ich nach wie vor gern auf einer Bühne sähe.)

Danach hatte ich nicht mehr viel für und nur noch wenig mit 2001 zu tun. In diesem August schenkte mir meine Frau die gesammelten Kurzgeschichten von Philip K. Dick. Vor einigen Wochen war ich im Laden an den Colonnaden. Außer mir war noch eine ältere Dame dort, und zwei Verkäufer. Und die Auslage interessierte mich auch kaum. Bleibt zum Ende also nur eine fader Fluch als Überschrift und ein müdes Amüsement, dass ausgerechnet Matthias Bröckers die Verlagsgeschichte in ein Buch (erschienen natürlich wo?) versammelt hat. 

Zweitausenddreizehn.




*Beide Titel sind noch antiquarisch erhältlich,
zu Spottpreisen z.B. bei booklooker

Neue Wörter (Folge 60): Würzpapier ist geduldig.

Heute früh bei facebook:
Ein sogenannter "empfohlener Beitrag", also de facto ein "Produkte empfehlender" Beitrag erzählt mir vom neuen Maggi Papyros Würzpapier*, in dem Fleisch ohne Mühe (und ohnen Können) "soo saftig" gebraten würde, und ich denke mir, was soll's.
Spam halt, zu deutsch Sülze, diesmal gebraten.

Interessant allerdings fand ich neben den etwa 2.000 Likes – also den Sympathiebezeugungen, die einfach passieren, weil einem die Maushand ausrutscht – die über 1.000 Kommentare, die fast ohne Ausnahme über die Firma Maggi und ihre Produkte schimpften, welche als meist zweckfrei und immer mit Glutamat angereichert charakterisiert wurden. **

Deshalb bin ich dann auch noch mal auf die Facebook-Seite von "So Saftig Braten" gegangen. So heißt das Produkt nämlich, um das es da geht.
(Dieser Link dahin dürfte zumindest bis zur nächsten Kochstudiorevolution funktionieren.)


Und da stieß ich auf dieses Bild, das mich dazu aufforderte, doch gleich alle drei Geschmacksrichtungen des Kassenschlagers (?) zu probieren.
Wörtlich lautete das:
HOL DIR JETZT DIE
TRIOLOGIE!
Ich hab dann auch gleich mal versucht, mir die Triologie bei Wikipedia zu holen. Da hab ich sie nicht gefunden. Im Duden auch nicht, und ebenfalls nicht im Fremdwortduden.
TRIOLOGIE
Dort hätte es zwischen Triolismus (= Geschlechtsverkehr zwischen drei Menschen) und Triotar (= Marken-Fotoobjektiv mit langer Brennweite) zu finden sein müssen. War aber nicht.


Dennoch war mir das Wort nicht völlig neu. Vor vielen Jahren traf ich in einer Werbeagentur einen Werbetexter-Kollegen, der auch gern von einer Triologie quatschte, wenn er eine Trilogie (oder wenigstens etwas in der Art) meinte. Ich hab mich seither manchmal gefragt, was wohl aus dem geworden ist. Jetzt weiß ich: der textet für Maggi.

Würzpapier ist geduldig.




*Nein, das ist nicht das neue Wort, von dem hier die Rede sein soll. Das ist nur ein alberner Versuch, eine neue Produktkategorie zu erfinden. Das hat zum letzten Mal bei Golf-Klasse geklappt...
**Womit nebenbei das Gerücht von erfolgreicher Facebook-Werbung wieder mal widerlegt wäre, aber das nur nebenbei.

Busen in Raten, Beauty a la carte

Gestern im Anzeigenblatt aus unserem Briefkasten

– Haben die Damen schon gewählt?

– Ja, wir nehmen dann dreimal die Möpse.
– Ab vier gibt's den fünften umsonst.

– Dann fünf. Und einmal die Bauchdeckenstraffung.

– Eine gute Wahl. Darf ich dazu Fettabsaugung empfehlen?

– Das klingt sehr lecker. Da nehm ich doch gleich die 2-Zonen-Absaugung.

– Gut, also fünfmal die eins, einmal die drei und einmal die vier.
Ach ja. Soll ich Ihnen das Fett in ne Doggybag eintüten?

– Och, nee, ist nicht nötig. Entschuldigung, eine Frage noch: die OPs kommen doch nicht etwa aus dem östlichen Ausland? Man liest da ja so viel Unerfreuliches...

– Seien Sie ganz entspannt, unser Chef ist in 3. Generation Österreicher und die Implantate sind fangfrisch aus Amerika.

Darf der Anästhesist dann servieren? 
Ich lege inzwischen das Besteck auf...

Wahl 2013: Kreuz weise?

So, noch drei Tage bis zur Wahl, und ich werd immer durcheinanderer*.

Soll ich nun JA wählen?
Wer verdammt, ist diese JA, die da offenbar mit teils sehr grünen, teils FDP-Argumenten wirbt.
Und gibt es auch eine konkurrierende Partei EDK?

Oder kriegt die NEIN mein Kreuz?

Außerdem: wozu soll ich wählen, wenn die CDU, FDP und SPD in Hamburg bei den wichtigen Sachen eh zusammenhalten? Und das mit einem Argument, das ich gut verstehen kann: Die angedrohten zwei Milliarden für den Rückkauf des Vattenfall-Netzes braucht Hamburg wirklich für Wichtigeres, z.B. die Fertigstellung der Elbphilharmonie.

Ach es ist ein Kreuz. Bzw. zwei. Oder so.

*Sag ich doch.

Neue Wörter (Folge 59): Interessante Kombination.

Wer heute für ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen einen Namen finden muss, hat's nicht leicht. Früher, vor dem Internet, ging das noch, denn da musste das jeweils eben erfundene Wort nämlich nicht daraufhin überprüft werden, ob es denn dazu vielleicht schon eine Domain gäbe. Aber heute, wie gesagt, ist es echt schwer.
Um so schwerer, wenn dann auch noch ein Briefing da ist, das sagt:
"Hochwertig und neu soll's klingen,
irgendwie sauber und klar und frisch
und außerdem aufregend, ja!
Neugierig, gierig sollen die Leute darauf werden."
Spätestens dann fragt der verantwortungsbewusste Texter,
was denn das für ein Produkt wäre.
"Na, ja, eher so was Alltägliches,
und ansich auch nicht so richtig appetitlich.
Also nichts, womit man angeben würde, dass man's hat.
Deswegen müssen wir uns ja um so deutlicher
von unseren Mitbewerbern absetzen.
Verstehen Sie:
Wir brauchen einen hochklassigen Namen, den sich jeder merkt."
Nun ist alle klar. Der verantwortungsbewusste Texter macht sich ans Werk.
Er lieferte einen Namen, der exakt das Briefing erfüllt.
Hochwertig und neu:
Premiere
Sauber, klar und frisch:
White
Aufregend, neugierig machend:
Sensation
Produkt:
Klumpstreu
Und jetzt alle:
Premiere White Sensation Klumpstreu
Genau das (bzw. die) jedenfalls wurde heute früh in einem Werbespot bei Radio Hamburg angepriesen.
Und ich habe sehr gelacht und festegstellt, dass zumindest mir das Wort "Klumpstreu" völlig neu war.

P.S. (Reprise) Wer heute für ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen einen Namen (er)finden muss, hat's nicht leicht. Dann selbst das einfache Wort Klumpstreu hat naürlich eine – wenn auch rätselhafte Domain: www. klumpstreu.de.


Wahl 2013: Die Zünglein

Trittin ist schwer zu zeichnen.
Sieht aus wie ein in Holz geschnitzter alter Ken.


Gestern abend der Nachschlag zum Duell. Trittin, Gysis und der alte Sack streiten.
War allemal interessanter als der Vorabend. (Bis auf den silberlockigen Moderator vom BR, der ging gar nicht.)

Wahl 2013: Duell wird Duett. (Darauf ich wett'.)

Gestern abend war das Fernsehprogramm gewissermaßen gleichgeschaltet.
Selbst auf ProSieben und RTL gab es weder Dschungeltussen noch Feuerballexplosionen zu sehen. Stattdessen guckten wir so lange auf den immergleichen Gesichtern herum, dass wir erstmals eine Werbeunterbrechung herbeisehnten.

Hätte ich nicht meinen Skizzenblock,
wär's gleich gar nicht auszuhalten.

Deutschland war politisch. Merkel gab die gute Mutti ("Alles gut, Kinder...") und Steinbrück den etwas muffligen Vatter ("Lass mich da mal ran, du kriegst das doch gar nicht auf die Reihe...").
Und irgendwo am Rand stand Christian Wulff und sagte nix. (Ach nee, war Peter Klöppel)
Hinter den Kulissen wartete auch schon Günter Jauch, um das Ganze analysieren lassen zu können.
Kurz: einzig und ausgerechnet der mir sonst unerträgliche Stefan Raab machte das Spektakel erträglich und manchmal gar unterhaltsam. (Hut ab, Herr Raab.)
Und was ist dabei rausgekommen?



Wie man's nimmt. Heut früh an der S-Bahn lauerten mir jedenfalls schon die Wahlhelfer mit ihren Zetteln auf.
Und die sind sich einig: Beide haben gewonnnen.

Sag ich doch.

Werbemuseum: Über 50 Jahre dabei

In einer Handvoll alter Zeitschriften, die zu und nach den olympischen Spielen 1956 und 1960 berichten, fand ich viele Anzeigen von Marklen, die es heute noch – in der einen oder anderen Form gibt.
Willkommen also zur Zeitreise:














Ich sah auch viele Produkte und Marken, die es eben nicht mehr gibt – aber das ist ein anderer Post.

Wahl 2013: Parteien und Werbung

Wer behauptet, dass die Parteienwerbung zur Wahl unprofessionell sei, irrt.
Sie ist im Gegenteil so professionell geworden, dass sie von der Werbung für Markenartikel oder Dienstleistungen nicht mehr zu unterscheiden ist.

Aber das ist natürlich, bis zum Beweis, nur eine Behauptung.

Also bitte:
CDU. Jeden Tag keine neue Idee.

CDU. Wir werden auch in Zukunft in Deutschland produzieren.

CDU. Versichern heißt Verstehen

F.D.P. Die Bank an ihrer Seite.

F.D.P. Jetzt kostenloses Probetraining vereinbaren.

SPD. Das WIR gibt Ihrer Zukunft ein Zuhause.

Nur die Grünen machen's anders.
Die versteh ich gleich gar nicht mehr...

Und ich? Was ist mit mich?

Immerhin kann ich mir vorstellen, wie die betreffenden Kreativen
in der Werbeagentur sich gefreut haben: "Ich hab's, wir zeigen einen Menschen vor einer Bank und schreiben drunter "Mensch vor Bank". Das versteht keiner, das gibt Gold beim ADC!"


(Ich danke den Webseiten der Parteien
für die Downloadmöglichkiet ihrer Plakatmotive.)

Sixt: Aufstieg und typischer Fall eines Underdogs

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als die Autovermietung Sixt noch wirklich frech war.
Damals, so um 1988/89 arbeitete ich bei der Werbeagentur McCann-Erickson, die zu der Zeit für den großen Konkurrenten interrent/europcar werben musste. Jawohl: musste. Denn es war kein Spaß, immer wieder – wenn auch indirekt – zu denen zu gehören, über die sich die für Sixt zuständige Agentur SpringerJacoby so gekonnt lustig machte.
Während wir auf Anweisung des Kundenmarketing immer wieder "Deutschlands Autovermietung Nr. 1"schreiben mussten  – denn tatsächlich war unser Kunde die damals größte Autovermietung in Deutschland – wurden die Springerjacobys (später die JungvonMattens) dazu gebrieft, möglicht mit jeder Anzeige eine einstweilige Verfügung einzufangen. Also schrieben sie: "Wenn Ihnen die Nr. 1 zu teuer ist, dann wählen Sie diese", und darunter stand die zentrale Rufnummer von, nun ja, Sixt.
Und prompt regte sich bei interrent/europcar jemand auf, es gab eine einstweilige Verfügung gegen Sixt, das auch ja! niemals! wieder zu machen. Und alles, Publikum und Branche, lachte. Über unseren Kunden. Über uns. Das Schlimmste: kaum war das Lachen abgeebbt, kam das nächste Motiv und das war zwar anders formuliert, aber genauso patzig. Neue EV. Neues Gelächter. Und so weiter.
Sixt war eben tatsächlich billiger und kleiner als die großen Autovermietungen und gab sich alle Mühe, ihnen charmant ans Bein (bzw. den Reifen) zu pinkeln. Und die Mühe wurde belohnt. Sixt wurde größer und größer, die Agentur fuhr Kreativmedaillen ein und es schien keinen Halten auf dieser Erfolgsstraße zu geben.

Aber dann.

Ich weiß nicht, wann Sixt selbst Deutschlands Autovermietung Nummer 1 war. Aber ich weiß, dass nach und nach nicht mehr die Konkurrenz Ziel ihrer Frechheiten war – offenbar gab es keine Konkurrenz mehr. Es wurde zwar immer noch über den achsogünstigen Preis argumentiert, aber das verlor dann doch ein bisschen an Glaubwürdigkeit, wenn man, als möglicher Kunde, ernsthaft anfing zu vergleichen. Und der sympathische Underdog von einst musste sich neue, idealerweise "irgendwie mächtige" Opfer suchen, die tapfer und – das ist entscheidend: von unten bekläfft werden konnten. Die Ideen waren (und sind) zum Teil fantastisch – und zwar immer dann, wenn es nicht um den Preis geht. Das wird vor allem bei Politikermotiven klar, die, wie man sieht, bis heute heiter Spaß machen.

So ärgerte Sixt Oskar Lafontaine. Der klagte und verlor.

So machte Sixt mehr aus Angela Merkel. Alles freute sich.

So kommtierte Sixt jüngst Berlusconi. Das passte prima.

Allerdings wurde es spürbar schwieriger. Und im Mehr und Mehr von Medien und Botschaften drohte die einst unübersehbare rotzige Sixt-Werbung immer unauffälliger zu werden, austauschbarer, immer noch aggressiv, oft war man nurmehr Hecht im Hechtteich.

Auch aus eigener Erfahrung weiß ich, wieviel Energie die zuständige Agentur auf der Suche nach dem nächsten großen Ding verschwendet, und wieviele gute Ideen nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken, weil der Kunde und/oder die Agentur sie nicht für groß genug halten.

Um so erstaunter und auch erschütterter war ich, als sich im Internet plötzlich ein Motiv verbreitete, von dem ich kaum glauben mochte, dass hier wirklich Sixt der Absender ist.
Dem eben nach sieben Jahren aus der geschlossenen Psychiatrie entlassenen Gustl Mollath wurde ein Zitat untergeschoben, dem zufolge der einzig Verrückte "der Sixt mit seinen Preisen" wäre.

Bei der ersten Veröffentlichung stand das "Zitat"
gar noch in Anführungszeichen.
Da ist man inzwischen schon zurückgerudert.

Und da stimmt nun gar nichts mehr.
  • Die verrückten Preise von dem Sixt sind, wie erwähnt, vollkommen marktüblich und im Vergleich mit vielen kleinerern Anbietern auch durchaus hoch.
  • Natürlich hat man Gustl Mollath nicht gefragt und sich dafür auf das Argument zurückgezogen, er wäre eine Person öffentlichen Interesses. Dem aufkommenden Shitstorm versuchte man nachträglich noch damit zu begegnen, dass man ihm ein Honorar anbieten würde. (Sein Anwalt ist übrigens Gerhard Strate: da kann sich die Gegenseite schon mal warm anziehen.)
  • Dass das Motiv allüberall für Aufregung sorgte, schrieb man sich (auch und gerade bei der Agentur) als "gelungene PR" auf die Fahnen.

    Zynisch oder doof? Eigentlich ganz egal.
    (So gesehen, hat ja auch das Unternehmen TEPCO mit der unbedeutenden Reaktorpanne in Fukushima nichts weiter als gelungen PR betrieben. Diese Firma kennt inzwischen jeder.)
  • Das Prinzip, sich von unten über oben lustig zu machen, ist endgültig verlassen worden. (Ohne Schuld oder Unschuld, Verrücktheit oder Normalität von Herrn Mollath näher beurteilen zu wollen:)  Hier trampelt ein großes Unternehmen auf einer Einzelperson herum, die gerade versucht, sich aus dem Dreck zu wühlen, in dem sie jahrelang drinsteckte. 
Und damit wird es ganz grundsätzlich: Sixt ist in die unausweichbare Falle gelaufen, in die jeder geht, der sich von unten nach oben gearbeitet hat: Wohin soll er noch? Und mit einem Mal ist die Sixt-Werbung nicht mehr zum Lachen, sondern bestenfalls lächerlich.

Ich greife mal (wie Sixt) ein Bild aus der Politik auf: Als Gerhard Schröder noch nicht Kanzler war, rüttelte er am Zaun des Kanzleramts und rief, hier wolle er rein. Das war albern, aber sympathisch. Und das kriegte gute Presse.
Stellen wir uns mal vor, Frau Merkel stünde vorm Kanzleramt und rüttelte an der Tür, sie wolle unbedingt rein. Nun ja, dann würden wohl Volk und Presse mutmaßen, dass sie mindestens so verrückt wäre wie der Sixt mit seiner Reklame.

Um meinen, zugegeben, recht langen Text, auf einen kurzen Punkt zu bringen, zitiere ich Stephan Rebbe, Mitinhaber der auch recht erfolgreichen Hamburger Agentur Kolle Rebbe. Zu dem Mollath-Motiv sagte er nur : "Scheisse." 

Also, Erich Sixt, wo soll's denn hingehen?

KLEINES UPDATE:
Nach dem vorgestern und gestern im Netz aufgebrausten Shitstorm hat Herr Sixt sich – laut Presserklärung vom 13.August 2013 – mit einem persönlichen Brief bei Herrn Mollath entschuldigt. (Es ist mir nicbt bekannt, ob Herr Mollath Herrn Sixt entschuldigt hat.)
Die Anzeige wurde jedenfalls offiziell zurückgezogen. 




Oben links steht's: das war gar keine Werbung.
Das war Satire.
Na, dann hab ich nichts gesagt.

 

Etwa zeitgleich schrieb der SEO von Sixt, Peter Erkinger, per Mail Intenet-Medien an, die über den Fall berichtet hatten und bat sie, das Motiv doch bitte auch im Bild zu zeigen.
 

Das versteh' wer will – m. E. zahlt es auf genau meine These von der Orientierungslosigkeit dessen ein, der so weit oben ist, dass ihn schwindelt.

Wahl 2013: Entschieden verwirt!

Ich habe mich in diesem Blog ja immer mal wieder zu Wahlkämpfen geäußert. Und diese Fast-Schon-Tradition möchte ich auch in diesem Jahr wieder aufnehmen, auch und gerade, weil ja den Demoskopen und allgemeiner Trägheit zufolge damit zu rechnen ist, dass sich nichts ändert, einfach, weil Frau Merkel alternativlos ist.

Jedenfalls, wenn die Mitbewerber so sind, wie sie sich präsentieren. Schaun mer mal...

Bei strahlendem Sonnenschein radelte ich also gestern an einem Plakat vorbei und stutzte einen Moment wegen des abgebildeten Herrn und seines auffälligen, mir bekannt vorkommenden Seitenscheitels:


War aber gar kein Scheitel, nur das Papier war keck verweht. (So entstehen Missverständnisse.) Trotzdem bremste ich ab und sah dann auf der anderen Seite des Baumes das hier:


Mein Bundestagskanditat für Hamburg Nord und das Alstertal verkündete da:
DAS WIR ENTSCHEIDET.
Hm.
Es müsste bzw. muss doch heißen:
WIR ENTSCHEIDEN.
Nicht? Wer also ist das Wir? Vielleicht die alte Abkürzung für Kaiser Wilhelm den II., also Wilhelm Imperator Rex? Nee. Dann wäre es ja
DER WIR ENTSCHEIDET.
Aber das Wir? Möglicherweise ein possierliches Tier?
Ach, egal, einfach weglesen, den Satz. da kommt ja auch noch mehr, nämlich
STEINMEIER KOMMT!
Hieß der nicht Steinbrück? Und was meint der so, der Steinmeier? Er wiederholt stur:
DAS WIR ENTSCHEIDET!
Womit er sich von der Eingangsaussage insofern unterscheidet, dass er diesen Satz nicht einfach sagt, sondern – achtet der Zeichen – sogar ausruft. So richtig entschlossen. Und zwar am 2. August um 16 Uhr am Markt Schmuggelstieg. (Schöne Adresse übrigens.)
Mist, das ist ja schon fünf Tage her. Werde ich wohl nicht mehr erfahren, was für knallharte politische Aussagen das Wir noch so liefert. ...Rätsel SPD.

(Und um noch ein Wort zur Gestaltung zu verlieren: Welche Agentur hat Euch, liebe SPD, eigentlich diesen fiesen lilaroten Hintergrund verkauft. Das ist gruselig.)

Nachtrag: 
Und du, Grüne Partei? Was machst Du so?


Aaah ja, Radfahren ausprobieren auf der Eisbahn. Wann das mal glattgeht.
Und Du? Vor Ort.
Für meine Ohren jedenfalls klingt das sehr nach dem neuen und inzwischen auch in Insolvenz gegangenen Claim der Schlecker-Läden
For You. Vor Ort.
(Ich sag bloss: mene mene tekel u-parsin)