Neue Wörter (Teil 4)

Diesmal war's mein Sohn Paul, mit dem wir heute tropische Pflanzen, Schildkröten und Eidechsen gucken gehen wollten. Ziel also war, wie er sagte:
Der titanische Garten.
Was ja einiges an umwelt- und gesellschaftspolitischem Sprengstoff birgt, spätestens bei der Vorstellung vom
Untergang der Botanik.
(Denke schön. Nichts zu denken.)

Radio Humbug

Die ganz eigene und unverwechselbare Sprache – so wird man wahrscheinlich beim Privatsender Radio Hamburg die Art und Weise bezeichnen, mit der die immer gleichen und immer gleich unerträglichen Worthülsen immer und immer wieder durch den Äther (um mal eine altmodische Formulierung zu benutzen) in unsere geplagten Ohren geschickt werden. Da wäre der Basis-Jingle, dessen zentrale Zeile gern auch mal gerappt oder auch ohne Musikbegleitung einfach nur fröhöhöhölihihihich gerufen wird:
Die Megahits
der Achtziger,
Neunziger,
Zweitausender
und das Beste von Heute.
Mein Onkel Claus geht auf die Achtzig zu, Pablo Picasso und Anthony Quinn wurden über Neunzig, und wie die höchsten Berge Teneriffas (alles 2000er) hören Sie alle nicht die Megahits von Radio Hamburg. Aber Spaß beiseite, den macht uns schließlich der Sender:
Aus dem Dodenhof Verkehrstower meldet sich Staupilot Tom ... zuverlässig und genau, das Radio Hamburg Wetter, hier issie: Chrissie ... mit dem Radio Hamburg Blitzer Update ... Tickets wie immer for free unter unserer Hotline ... Regenwahrscheinlichkeit 20 % ... vier Megahits am Stück ... nur wenige Wolken auf dem Radio Hamburg Wetterradar ...
Alles in allem: gefühlter IQ 87. Wenn da nicht die meine Besorgnis erregende Tatsache wäre, dass ausgerechnet dieser Sender der meist gehörte in Hamburg ist. Und dass auch die alte Tante NDR mit Formatradio wie N-Joy dem ganzen Quatsch genau den gleichen (und eben nicht mal mehr eigenen) hinterhersendet. Immerhin 1 privater Sender wirbt damit, garantiert johnmentfrei zu senden – und nennt einmal mehr den, dessen Namen man nicht nennen darf...
Und genau jetzt sehne ich mich zurück nach der Internationalen Hitparade mit Wolf-Dieter Stubel, die genau einmal die Woche eine Stunde lang auf NDR 2 lief und die nahezu einzige Sendung für Hörer unter 25 war. Schlau war's auch nicht, aber immerhin besonders.

Horror, mal ganz nüchtern

Wahrer Schrecken beschleicht mich nicht bei Hollywoods Psycho- oder Splatter-Filmen, sondern viel mehr und nachhaltiger, wenn er unbeteiligt, ja sachlich präsentiert wird. Die Berufsgenossenschaft Druck & Papierverarbeitung schickt uns sechsmal im Jahr ihre Zeitschrift tag für tag und warnt vor branchentypischen Unfällen auf technisch orientierte und eben deshalb drastische Art. Hier ein Beispiel aus der Ausgabe 3/ 2006, Seite 9:
Schwere Handquetschung am Rollenschneider
Ein Maschinenbediener prüfte während des Betriebes durch Fühlen die Wickelqualität auf der Wickelwelle. Hierbei geriet er mit seiner Hand in die Einzugsteile zwischen der Andruckwalze und der Materialrolle. Um Faltenbildung bei dem dünnen Material zu verhindern, war die Andruckwelle nicht angestellt, sondern lief in etwa 1 cm Abstand zur Materialrolle. Obwohl die beiden Walzen nicht direkt aufeinander liefen, reichte die Einzugskraft aus, um die Hand des Mitarbeiters bis zum Handgelenk in die Maschinen einzuziehen.
Also, mich gruselt's. Und Sie?

Witzreparaturservice (Teil 1)

Ich fand diesen Cartoon auf der Witzseite einer Fernsehzeitschrift. Er st mäßig gezeichnet, aber darum geht es ja in hier ü-ber-haupt nicht!
Zu sehen ist ein Ehepaar im Bett, kurz vorm Einschlafen.
Auf dem Nachttisch an der Bettseite des Mannes stehen zwei Gläser,
eins davon ist gefüllt.
Sie sagt: Wieso steht da ein volles und ein leeres Glas Wasser?
Was würden Sie antworten? Etwa das?
Er: Schatz, es heißt "stehen", Plural, Du verstehst? Da stehen zwei Gläser. Du sagst ja auch nicht "da läuft eine Katze und ein Kind", sondern "da laufen.."
Gut, komisch ist das nicht, aber richtig. Wobei der frustrierte Mann durchaus weiter mäkeln könnte...
Er: Ein leeres Glas ist ein leeres Glas und nicht etwa ein leeres Glas Wasser. Schließlich ist kein Wasser drin.
Da hat er Recht. Also nehmen wir das Gelernte, gehen zum Anfang des Witzes zurück und machen alles richtig:
Zu sehen ist ein Ehepaar im Bett, kurz vorm Einschlafen.
Auf dem Nachttisch an der Bettseite des Mannes stehen zwei Gläser,
eins davon ist gefüllt.

Sie sagt: Wieso stehen da ein volles und ein leeres Wasserglas?
Er sagt: Weil ich noch nicht weiß, ob ich nachts Durst haben werde oder nicht.
Na also, geht doch. Bloß: ist der Witz nach all dem Genöhle überhaupt noch lustig? Egal.
Meine Damen und Herren, wir haben die beabsichtigte Pointe erreicht und bitten Sie, sich anzuschnallen, die Lehnen nach oben und das Rauchen einzustellen. Wir bedanken uns, dass Sie bei uns waren und wünschen Ihnen einen angenehmen Tag.

Neue Wörter (Teil 3/Untergruppe "Begriffe")

Ja, meine Gattin ist großartig. Mein neuester Liebling lautet – nicht ganz in das strenge Muster bisheriger Wortschöpfungen passend – wie folgt:
Ferien auf Sagrotan
Ist das zu steigern?

Selbst über Schätzing

Der Schwarm war spannend. Und irgendwann mit zu viel doofer Action und die dann auch zu lang. Und dann noch die unentrinnbare Liebesgeschichte der beiden Überlebenden – während große Teile der Menschhheit relativ gleichgültig hingemordet werden. (Anscheinend geschrieben, damit James Cameron oder Spielberg es verfilmen.)
Lautlos lese ich gerade. Verspricht spannend zu werden. Ich befürchte, es gibt eine Liebesgschichte, und die beiden – der charmante, eloquente, schriftstellernde Physiker und die Pressetante– überleben.
(Ergänzung nach drei Tagen: ja, sie kriegen sich, ja, sie überleben, es ist zum Heulen.)
Die Barks-Comic-Sammlung ist prima. Ist ja auch von Barks und Erika Fuchs. Und die Kommentare stören nicht die Geschichten.
Aber Nachrichten aus einem unbekannten Universum, dieses Sachbuch über das Meer und die Entstehung des Lebens und überhaupt – wie heißt es doch gleich im Rückseiteneigenlob: Ein Ozean an Wissen und Witz. Und genau das nervt, dieser locker plaudernde Ton hat nämlich die schnoddrig-flapsige Qualität der fiesen und allseits geschätzten Berliner Schnauze, die aus dem Kongresszentrum die Schwangere Auster macht – ick lach mir scheckich! Ein Beispiel von 100en:
Durch mindestens sechs Eiszeitalter hat sich die Erde schon gebibbert.
Igittigitt. Dann eben doch lieber gleich Barks und Fuchs:
Bibber! Fröstel!
Aber gut, er ist besser als Grisham. Doch. Besser als Grisham. Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Immerhin, besser als Grisham. Und auch noch nicht so schnell.

Angeführt! Und abgeführt!

In einem physiotherapeutischen Bad in Hamburg hängt unter und neben anderen folgender Zettel an der Wand – und zwar in genau der hier gezeigten Interpunktion und Schreibweise – wobei alle Wörter in Anführungszeichen zusätzlich doppelt untertstrichen waren:
Liebe Patienten
aus "HYGIENISCHEN GRÜNDEN" möchten wir
Sie bitten
"VOR" dem Baden zu "DUSCHEN" !!!
Bitte entfernen Sie auch "PFLASTER", die
Sie evtl. noch vom vergangenen Arztbesuch haben
Ihr Team der Physiotherapie Alstertal

Und es gibt sogar noch einen Copyrightvermerk:
T.Werner
Das hat mir "GUT" "GEFALLEN". Danke, "T." Werner.

Der politische Kommentar

Die Öl- und Gasindustrie Boliviens werden jetzt verstaatlicht. Schön, dass es in der Politik hin und wieder so etwas wie Morales gibt.

Neue Wörter (Teil 2)

Sie hat es wieder getan. Meine Frau, meine ich. Sie hat wieder ein neues Wort aus zwei alten geschaffen. Und es ist besser als seine Eltern. Lesen Sie! Staunen Sie! Hier ist es (Tusch, Trommelwirbel....)
Bedrohlie
Na? Ist das groß? Kann man das Drohende einer Bredouille besser und kürzer sagen? Ich wiederhol's noch mal, weil's so schön ist. Knieen Sie nieder!
Bedrohlie
Boooah! Un-glaub-lich. Ich werd nicht mehr... (Langsames Ausblenden.)

Zum Schrei'n!

Ein große deutsche Boulevardzeitung, bzw. deren Chefredakteur Kai "Mann-ist-der" Diekmann, durfte den US-Präsidenten besuchen. Und erfreut die Leser am 8. Mai auf Seite zwei mit der Ankündigung:
George W. Bush erklärt den Bild-Lesern das Oval Office
Und dann zeigt der Präsident den Redakteuren sein Amtszimmer mit den groß und fett gedruckten Worten:
"Dieses Büro ist der Schrein der Demokratie"
Na prima. Ich habe im Kopf, dass Sarg eine der häufiger genutzten Bedeutungen von Schrein ist. Im Wörterbuch habe ich's dann tatsächlich auch. Schon frage ich mich, ob die Wortwahl bei der Übersetzung des wahrscheinlich in herzlich schlechtem Englisch ( – Bush kann's nicht so richtig gut – ) geführten Interviews eine besondere Perfidie der Bild-Autoren ist oder eine besondere Blödheit. Ist eigentlich auch Wurscht.

Lieblingskommentar

(Vom Gastautor Monsieur Porneaux:)

Ein Kommentar zu einem Artikel in einem "politischen" Blog, in dem ein Artikel zu Harald Schmidts Haltung zum schwelenden Karikaturenstreit erschien:
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
(6.5.06 10:37)
@Max (5.5.06 17:05)
"Aber damit scheint ihr intellektuell überfordert zu sein."

Das ich nicht lache, Schmidt und intelektuell. Wenn schon dann intelektuell für untergebildete.
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
gefunden bei http://myblog.de/politicallyincorrect/ - eines dieser "NeoCon"-Blogs, wo sich seltsame Leute einfinden, um wie am Stammtisch über Politik zu diskutieren und am Ende ein um’s andere Mal gegenseitig übelst zu beschimpfen.
Ein Besuch dort stimmt immer froh: es ist so, als ob man über einen Gartenzaun schaut, um die Nachbarn im Dauerstreit zu beobachten …

Liebe und Marketing

In einer Case Study über den Design Relaunch von T-Mobile (eine der vielen Firmen mit den tieflilaroten Quadraten) lese ich sinngemäß, dass Teile des Corporate Designs
emotionale Verbundenheit kommunizieren
Und so eine Formulierung ist doch ein Gedicht, oder? Bzw. wenn nicht, so ist sie doch ein Gedicht wert. Hier kommt's:
Emotionale Verbundenheit, kommuniziert

Man spricht hier von Gefühl und Nähe,
Was ich jedoch so missverstehe, dass
Wenn ein Mann sein Weibchen liebt,
Er sein Rohr in das ihre schiebt.
Das nennt man – wollt Ihr's hören? –
Kommunizierende Röhren.

Wiener Schmähung

Der Center-Manager der Europa-Passage, Hamburgs größter Shopping Mall, die im September 2006 eröffnet werden soll, hat sich und den Hörern von Radio Hamburg einen Ausblick auf kommende Genüsse erlaubt. Die alte österreichische Kaffeekette Josef Meinl – die im Übrigen schon vor Jahren von Spar oder gar gleich Edeka gekauft worden ist – Josef Meinl jedenfalls wird in der Europa-Passage ein Kaffeehaus eröffnen, und...
"...in diesem Wiener Kaffeehaus wird echter Wiener Schmarrn serviert."
Das freut einen. Ein wahres Sprachschmankerl, dieser echte Schmarrn. Auch mal kosten?
– Eine Tasse Schmarrn bitte.

– Sehr wohl, Herr Geheimrat, oba heraußen nur Kännchen, bittschön.

Joy of Sechs

Ein altes Kinderrätsel fragt nach einem Satz, in dem sechsmal hintereinander das Wort fliegen auftaucht. Die Lösung ist so albern wie verblüffend
Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.
Womit auch der Sinn der Großschreibung bewiesen wäre. Ich habe dieses Rätsel immer gemocht und mich gefragt, ob es dazu Varianten mit anderen Wörtern geben könnte. Ein paar hab ich erfunden:
Wenn hinter Robben Robben robben, robben Robben Robben nach.

Wenn gleich an Liegen Liegen liegen, liegen Liegen Liegen nah.

Wenn sich an Reiben Reiben reiben, reiben Reiben Reiben ab.
Eine sächsische und damit nicht ganz die Regeln einhaltende Variante ist:
Wenn hinter Griechen Griechen griechen, griechen Griechen Griechen nach.
Und nur mit Schwyzerdüütscher Rechtschreibung ist der Satz zu allmählich schwärzer werdenden Russen gestattet, der im Übrigen auch politisch ganz und gar unkorrekt ist. Also wird er hier mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns und nur zum Zweck der Dokumentation veröffentlicht:
Wenn wie Russen Russen russen, russen Russen Russen gleich.
Nee! Der geht gar nicht... Fällt wem noch was ein?

Summen im Kopf?

Heut früh, in der Radioreklame, ein Spot für Mazda Automobile, in dem ein bemerkenswert selbstkritischer Satz fällt:
Wir sind schon immer Summ Summ!
Und das will ich der betreffenden Marketingabteilung auch gern glauben, die ihrer Agentur Jingles (also Werbeliedchen) durchgehen lässt wie das folgende:
Summ summ summ!
Yeahyeah yeahyeah yeaah!
Summ summ summ!
Yeah yeah yeaah!
Vierzeiler, Kreuzreim. Da stimmt alles. Kurt Schwitters und sämtliche Dadaisten lachten sich sicher tot, wenn sie's denn nicht schon wären.

Zum Kotzerbarmen!

Meine liebe Frau ist ganz groß darin, neue Wörter zu erschaffen, indem sie beim Erzählen zwei vorhandene, ähnlich klingende, in eines reinpackt und ich hör mir das dann an und freu mich. Ich glaube ihr immer nicht so ganz, dass ihr das ganz und gar versehentlich passiert. Was zum Beispiel soll man halten von dem bereits oben erwähnten, sprachlichen Schwersterbrechen – es sei nochmal zitiert:
ZUM KOTZERBARMEN!
Auch schön und einsichtig finde ich das Adjektiv, mit dem jemand beschrieben wird, der laut, groß und rundweg beeindruckend wütet:
IMPULSANT
Garantiert unfreiwillig hingegen ist der folgende Satz, mit dem ein Chiropraktiker ("Chiropractic Center im Gebäude des Meridian Spa Wandsbek, Phone 040 - 27 88 28 25") in seiner Werbung darauf hinweist, dass man mehr auf seinen Rücken achten sollte (also jetzt nicht den des Chiropraktikers, ist ja klar...). Er hat sich dazu der Unterstützung einer anerkannten Autorität versichert, des Stammvaters aller Ärzte, des alten Briten Hippokrates, den er deswegen wohl auch auf Engisch zitiert:
LOOK WELL TO THE SPINE FOR THE CAUSE & PREVENTION OF DESEASE.
Hallo? Jemand zuhause? Bzw. Annie One Home? Was willst Du, unbekannter Chiropraktiker, mir sagen? Soll ich mich also schützen vor
Krankheit = DISEASE
Oder soll ich mich dank Rückentraining nach Kräften dagen wehren, zu
sterben = TO DECEASE
Wobei ja beides durchaus zusammenhängen mag. Aber so sehr?
Ich hab dann nochmal eine kleines Tool meines Rechners eingesetzt, angeboten von der Firma Systran Language Translation Technologies und Sterben eingegeben. Man bot mir to die an.
Also hab ich's mit mit einem etwas älteren, umschreibenderen Wort probiert.
Aber das war dann auch nichts:
dahinscheiden = THERE-SEPARATE
Und das ist dann doch wirklich, um bei meiner Frau zu bleiben – was ich übrigens gerne tue – zum Kotzerbarmen!