Der Charakterdarstellerdarsteller

Fotograf: Bitte so hinstellen,
dass man das Logo gut erkennen kann.

TV Movie, das 14tägliche Fernsehflachblatt der Bauer-Verlagsgruppe, platziert in Ausgabe 16/2015 mitten ins Programm* eine ganze Seite mit einem sorgfältig bei Wikipedia recherchierten Loblied auf Samuel Finzi (?), offenbar einen großartigen Mann:
"Er ist einer der renommiertesten Charakterdarsteller (...) der auf der Bühne ebenso brilliert wie im TV oder auf der großen Kinoleinwand."
Und tatsächlich: Wer erinnert sich nicht seiner Kunst in der ZDF-Krimiserie "Flemming", der Rolle des Gerichtsmedizineres beim Kieler "Tatort" wer entsinnt sich nicht seines nuancierten Spiels in den legendären Komödien "Kokowäh" und "Kokowääh 2"?
(Ich. Ich erinnere mich nicht. Die Schweiger-Filme habe ich gern verpasst. Für "Flemming" im ZDF war ich damals, mit 55, zu jung, und beim Kieler Tatort ist mir der Gerichtsmediziner nicht weiter aufgefallen. Doch sei's drum:) TV Movie lässt schickt einen Reporter in die
"Toscana nahe Florenz. Mit einem landestypischen "buona sera" (dt. Guten Abend") begrüßt er uns.
Und dann wird knallhart nachgefragt:
"Herr Finzi, Sie kommen gerade von einer Testfahrt mit dem neuen SKODA Superb....
SAMUEL FINZI: Ja, ein wirklich tolles Auto. Ich fahre bereits das Vorgängermodell. Aber diese Limousine ist vom Design und dem Platzangebot her noch mal eine Steigerung."
Ja, und nachdem die Seite im Heft auf diese Weise finanziert ist, darf Herr Finzi auch noch ein bisschen über sich selbst erzählen (lassen).

Redakteur: Ist das nicht zu dick?
Chef: Das merkt keiner.

Da geht es um die neuen amerikanischen Serien und deren unkonventionelle Erzählweise und Besetzung, und auf die Frage, ob so was auch in Deutschland ginge, sagt Herr Finzi – genau nach Skript – etwas, das verdient, in die Überschrift aufgenommen zu werden – was dann auch passiert:
"...es gibt Redakteure, die sagen: das wird vom Zuschauer nicht verstanden. Alles muss bei uns erklärt werden. Dabei ist der Zuschauer nicht dumm."
Im Gegensatz wohl zum Leser von TV-Movie, von dem Finzi und der Redakteur offenbar vermuten, er würde die ein bisschen zusammenhanglose Erwähnung eines SKODA in diesem Interview nicht sofort als das identifizieren, was es ist: Schlechte Schleichwerbung.

Ein finziger Schritt für die Schauspielkunst,
ein großer Gewinn's Marketing.

Gut, dass der dumme Leser weiterliest, denn Finzi sagt noch, er hätte in seiner
"Jugend wahnsinnig viele Filme aus Frankreich, Italien und den USA gesehen mit Schauspielern wie Marcelleo Mastroianni, Michel Piccoli oder Marlon Brando. Die sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben und beeinflussen meine Arbeit."

Leider war dieser Einfluss nicht stark genug: wenn man mit solchen Lehrmeistern Filme geguckt hat, sollte man doch  gelernt haben, dass ein schlechtes Skript auch auf den Darsteller zurückschlägt.

Nachdem ich schließlich alles Uninteressante über Finzi, SKODA  und Serien erfahren habe, unterzeichnet ein Jörg Ebach den Artikel und fährt wieder nach Haus in die Redaktion. Und ich bin fast ein bisschen stolz, dass ich kein Journalist geworden bin, sondern einfach ein ehrlicher Werbetexter.




*Schon diese Platzierung macht stutzig: Hier gilt nämlich wie im TV, dass das Programm hin und wieder durch Werbung unterbrochen wird. 

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