Jedenfalls sind mir in den vergangenen Tagen gleich drei Dichter aufgefallen, die manches gemeinsam haben: Im Hauptberuf sind bzw. waren sie anderweitig und durchaus realitätsnah tätig. Ihr Beruf ist hart, für Zartheit ist kaum Platz – die gönnen sie sich in ihrer knapp bemessenen freien Zeit und schreiben Gedichte.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass der Beruf – wie sollte es anders sein – ganz natürlich Einfluss nimmt auf ihre lyrischen Anstrengungen; unüberhörbar bei jedem der drei ist da immer auch der Wunsch, ein Publikum zu haben. Die Wege, es zu finden, sind unterschiedlich, zeitgebunden auch – aber genug der Vorrede.
Den Anfang macht der Ludwigshafener Frauenarzt und Professor Hugo Otto Kleine, der im Jahr 1927 und als damals noch junger Arzt ein schmales Bändchen "Klinische Sonette" (im Wellersberg Verlag von Dr. F. Sauerhering) veröffentlichen durfte. 40 Gedichte sind hier versammelt, geschrieben "in langen Nachtwachen", werfen sie ein mindestens interessantes Licht auf das Innenleben von Kliniken und eben des Dichters.
IrreNun zu etwas völlig anderem: Wolfgang Röller war (neben anderen Ämtern) von 1993-1997 Aufsichtsratsvorsitzender der Dresdner Bank AG, von 1987-1991 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. und nimmt auch heute, mit achtzig Jahren, das eine oder andere Ehrenamt wahr. Er versteht vom Dichten ebensoviel wie von Geldgeschäften, und wer (in den 90er Jahren nach dem Ball des Sports) ins Kurhaus Wiesbaden zum "Katerfrühstück" eingeladen war, genoss mit wissendem Lächeln Röllers Rückblick-Reime, in denen er mit der gefürchteten spitzen Feder Wirtschaft, Sport und Politik aufspießte. Auszüge? Bitte sehr. (Für die Mitschrift dieser Zeilen aus dem Jahr 1995 danke ich einem ungenannt bleiben wollenden Zuträger):
Die Bürger eilen angstvergruselt schneller.
Das "feste Haus" ist wieder gut belegt –
Das tierische Gebrüll wird dauernd geller.
Das heult und jault und zetert unentwegt.
Der Abend hallt von grauenhaften Schrein.
Vernunft, Verstand und aller Geist zersprangen,
Und letztes Hilfemittel bleibt allein
Scopolamin, grobknochige Wärter, Käfigstangen.
Ein Rasender versucht sich umzubringen.
Ein Weib ruft hitzig nach obszönen Dingen.
Es belfert ein Insasse wie ein Hund.
Geschnarr, Gegröhle, Trällern, Tremulieren,
Geschimpfe, Winseln, Quäken, Kommandieren...
Vrenehmlich lobpreist einer Gott – mit Schaum vorm Mund.
(...) Ach was muss man oft vom bösenHier hat Herr Röller sich sozusagen einen ordentlichen Kredit ( = zinslose Anleihe) bei Wilhelm Busch genehmigt, aber durchaus spezifische Akzente gesetzt. An anderer Stelle geht es (im Zusammenhang mit einem Bauskandal jener Zeit) fast prophetisch weiter:
Aufsichtsrat so alles lesen,
der – weil gar nicht kompetent –
manches heiße Ding verpennt.
Und schließlich meinten Professoren
(noch heute hab ich's in den Ohren),
dass es gar üble Folgen hat,
wenn Banker sind im Aufsichtsrat. (...)
(...) Kaum ist dieses vorgekommen,Reicht's? 'S reicht. Also zitieren wir nun nur noch ein Gedicht des Pharma-Agenturchefs P.
wird der Vorstand einvernommen:
Wie konnte denn all das gescheh'n?
Das musste doch ein Blinder seh'n?
War'n sie zu dumm, die klugen Banken?
Gibt's dort denn nur noch Fach-Gedanken?
Steh'n die Experten auf dem Schlauch?
Nur noch Computer, nicht mehr "Bauch"? (...)
Auf diese Reim-TourAber das ist natürlich ganz dummes Zeug, denn schon die erste Zeile "Mit einem Fuss in Deinem Leben" gesteht überdeutlich ein, dass es hier eher um einen
legt wer 'ne Schleimspur.
Wie von Sinnen
will er Kunden gewinnen.
Und da kann man die Tür zum Leben ganz cool zuknallen.
Ich jedenfalls empfehle am Ende doch wieder William Carlos Williams. Der war auch Arzt und auch Dichter. Dichter jedenfalls als die hier Vorgestellten. Und richtig gut.
2 Kommentare:
...dass nicht dein Glücksal jemnad trübt" ?
Hä?
"jemals", nicht "jemnad". Aber besser wird's davon auch nicht. Jamais.
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