Es fing ganz harmlos an …

Ein Gastkommentar vom Gastkommissar M. Porneaux

Am Anfang standen die Leute, die "Oh ja, ich erinnere das …" sagten.
Vermutlich weil sie länger als eine Woche in einem englischsprachigen Land gewesen waren, oder zumindest, damit man dieses annehmen sollte.
Diese waren’s dann auch, die kurz darauf "in 1987" sagten.

Kurz darauf fingen zumindest die Frauen unter ihnen an, das vorher einfach flach intonierte "OK" mehr zu singen: "Oukäää-ie" (vorne flach, mittig mit der Stimme ’runter, hinten hochgezogen zu sprechen).
So bekam man den Eindruck, dass sie zwar nicht einverstanden waren mit dem was man sagte, sie’s aber zumindest gleichmütig ertrugen ("Gut, wie Du meinst …", ebenso zu intomieren: Mittel-Tief-Hoch).
Übrigens oft und ungern gehört in Synchronisationen amerikanischer Serien.

Und weil’s so schön funktionierte, intonierten die Damen dann auch die Antwort auf die Frage, wo sie wohnten, auch die Namen der Stadtviertel, in denen sie ihre Wohnungen hatten, genau auf diese Weise; in Hamburg z.B. "Blanke-nee-se", Oth-maar-schen", "Winter-huu-de".
Hier hatte diese Mittel-Tief-Hoch-Intonation den hörbaren Subkontext: "Ich hoffe, Du kennst es, und weisst, was das auf der sozialen Rangordnung bedeutet".
Macht Sinn: German Kleinigkeit aus Italia.

Tja, und jetzt versuchen die Werbetreibenden, die "Raffaelo" von Ferrero in Fernsehspots besingen dürfen, nach dem Vokabular und der Intonation auch noch die deutsche Gestik zu erweitern: mit einer bei Frauen im englischsprachigen Raum weit verbreiteten "Zeige-und-Mittelfinger-beider-Hände-machen-Häkchen-in-der-Luft"-Geste.

Die sogenannte "inverted commas"-Geste ("Anführungszeichen"- oder schöner noch "Tüdelchen"-Geste), die mich immer an einen Menschen erinnert, der vor einer Wand steht und mit zwei Fingern beider Händchen daran kratzt.
Und dabei nicht so ganzganz ernst gemeintes Zeug sagt.
Wie eben die "Schauspielerin" im "Raffaelo"-Spot, die schelmisch den Text aufsagen darf, dass sie auf ihrer Party auf ihrem palmenumkränzten weisssandigen Anwesen ihre amerikanischen Freunde immer gern mit einer (hier bitte die "Tüdelchen"-Geste hindenken) "german Kleinigkeit" erfreuen darf.

Offensichtlich hatte man sich bei der Werbeagentur, die den Etat betreut, nicht besonders gut informiert, wer diese "Tüdelchen"-Gestik eigentlich im wahren Leben benutzt - typische "Raffaelo"-Käuferinnen, nämlich, und unter denen besonders gern die, welche den der Gestik zugrunde liegenden "inverted commas" im Leben noch nicht sehr häufig begegnet sein dürften, da sie eben selten über ein eigenes Buch verfügen … und in das auch noch hineinzuschauen, hat man ja leider keine Zeit, so viele Parties, so viele Freunde …

Und die müssen doch gar nicht erst überredet werden, das Produkt noch zu kaufen, die haben’s doch schon längst.
Und die passende Gestik eben auch.

Oukäää-ie.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es gibt da eine Geste, die Ender achtziger Jahre in Werbespotsauftauchte, als auch plötzlich alle Werbe-Männer in Büros vor Computren saßen und rote Hosenträger anhatten und dann, wohl weil eine Umsatzkurve aufwärts führte oder der Riegel so lecker war – dann kam sie: die "Becker-Faust": Hand hoch, Faustballen und ruckartig runterschwingen wie auf einen zu hochgeratenen Auktionatorentisch. Leider nur Männern vorbehalten, während die "Tüdelchen" eher allein Frauen zuzuordnen sind. Ich fand schon damals, as ginge gar nicht und ich sagt dann: Nou wayy!

(Aber die Hosenträger hatte ich auch – wie alle inspirierte durch Gordon Gecko (M. Douglas in "Wall Street")

Anonym hat gesagt…

War’s David Bowie, der sagte, dass man Menschen, die ihre Hosen sowohl mit Gürtel wie auch simultan mit Hosenträgern oben hielten, nicht trauen könne - diese trauten ja nicht einmal ihren eigenen Beinkleidern?

Hübsch aber auch die 8o’er Variante dieser Hosenträger an Frauenhosen … da kamen die Hosenträger ja oftmals mit der Anatomie in Konflikt: wurden sie innen an den Brüsten vorbeigeführt, drängten sie diese nach aussen, wurden sie aussen angebracht, drückten sie die Brüste unvorteilhaft nach innen zusammen.
Drüberführen ging auch nicht (rutschte dann ja doch wieder nach links oder rechts ab) - blieb also nur die Möglichkeit, die Hosenträger vorn vor der Brust zu KREUZEN.
Das hatte einen "Playtex-Zauberkreuz"-Effekt, den ich allerliebst fand, damals.

Anonym hat gesagt…

das urteil zu trägeren UND Gürteln taucht m.w. erstmals in "spiel mir das lied vom tod" (orig. "play it again, dead" bzw. "dead men don't play songs") auf, wo schurke henry fonda eine subalternen eben wegen der verwendung BEIDER accessoires erschießt... nur der korrektheit halber.

Anonym hat gesagt…

Stimmt, Herr Zorro.
Bowie war’s, der über die Mode der 8o’er in den 8o’ern schon sagte: "Shoulderpads are the flares of the eighties" ("flares" sind Schlaghosen - damals un-trag-bar).
Xao Seffcheque weitete das Ganze noch aus mit dem Satz: "Wir sind die Hippies von morgen" ("Hippies," dachte jeder damals, "entsetzlich!").
Zeigt nur, wie klein der zeitliche Horizont ist.

zeichen-blog hat gesagt…

"Sinn machen"! ganz vergessen!
Schööön!

M. Porneaux