Titel machen Leute.

Was sich bis vor einigen Tagen eher diffus am Rande meines Bewusstseins herumtrieb, ist mir nun durch ein einziges Zusammentreffen sehr deutlich vors innere Auge gerückt: Mein Unbehagen nämlich, wenn ich tolle Positionsbezeichnungen auf Visitenkarten, in gedruckten Unternehmensdarstellungen oder auf Websites lese.
Da steht dann der CIO* neben dem CEO, und der durchschnittliche Geschäftsführer oder gar nur Abteilungsleiter (stv.) darf sich verglichen damit klein und mickrig fühlen. Wer für die Einstellung neuer Mitarbeiter zuständig ist, nennt sich – im eher konservativ geführten Kleinbetrieb – Personalchef, bei moderneren, aber ebenso kleinen Start-Ups, heisst derselbe dann Human Ressources Manager oder Recruitment Manager. Und warum mir das so plötzlich auffällt?
Weil ich den Recruitment Manager eines noch recht kleinen Unternehmens getroffen habe, den ich vor zwanzig Jahren zum Nachbarn hatte. Nach wie vor ist er ein ziemlich schlaksiger Mann mit leicht gekrümmter Haltung und freundlich-unsicherem Lächeln, nach wie vor raucht er HB, er hat sich kaum verändert, allerdings sind seine Zähne schlechter geworden, und das trübt, bzw. gilbt den strahlenden Auftritt eines (ich wiederhole:) Recruitment Managers doch ein wenig.
Ach Leute: schreibt doch einfach auf jede Visitenkarte: Verantwortlicher Mitarbeiter – wetten, das ist ehrlicher und bringt deshalb viel mehr echte Reaktion auf diese ansonsten meist sinnlosen 5 x 8 qcm Karton?

Oder bin ich einfach naiv, Ehrlichkeit statt Hochstapelei zu erhoffen? Denkt denn der Agenturchef des vor sich hin strauchelnden Ladens wirklich, dass ihm irgendjemand die 14 Mitarbeiter glaubt, von denen merkwürdiger Weise immer etwa 10 im Urlaub, auf Seminaren oder eben gerade zu Tisch sind... Die Kunden, die's ihm abnehmen, haben's vielleicht auch nicht besser verdient. Wer weiß.
*CIO: Nicht nur in kleinen Betrieben allzuoft dereinzige
in der Klitsche, der weiß, wie man aus Windows rauskommt,
wenn sich der Rechner aufhängt. Meist auch der,
der all die prima Zuastzprogramme aus dem
Netz heruntergeladen hat, die den Absturz verursacht haben.
Manchmal auch schlicht mit dem Titel bezahlt,
den er statt eines ángemessenen Gehalts bezieht.

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