100 Places you better miss before you die.

Seit sieben Jahren leben wir in Poppenbüttel, und nach so langer (und noch viel länger erscheinender) Zeit darf ich mir wohl mal erlauben, das eine oder andere hier zu mögen oder eben nicht. Also herzlich willkommen zu einer kleinen Führung durch Hamburgs – wenigstens soziodemographisch – ältesten Stadtteil, der übrigens schon altersbedingt auch eine CDU-Hochburg in dieser Stadt ist.
Beginnen wir beim AEZ, dem Alstertal Einkaufs-Zentrum, dem Lieblingskind der Otto-Tochter ECE, das vor etwa einem Jahr aufwendig modernisiert und vergrößert wurde. Diesem Umbau gingen Proteste voraus, die sich aber relativ schnell im Bausand verliefen.
Bösen Gerüchten zu Folge saßen bei den damaligen öffentlichen Diskussionen allzuoft jede Menge ECE-Mitarbeiter im Publikum, was die Meinungsbildung erstaunlich beschleunigt haben soll. Honi soit...
Jedenfalls haben wir nun endlich das ersehnte Einkaufszentrum deluxe, was den Verzicht auf einen Einzelhandel um die Ecke wenn nicht erleichtert, so doch erschlagend begründet. Und so haben sich rund um den alten Dorfkern auch nur die beiden Edekas, AldiBudniSchlecker, jede Menge Apotheken und Reformhäuser und eine Handvoll Exoten halten können, die für die prädemente Luxussegment (= AEZ-Zielgruppe) der Bevölkerung uninteressant sind.
Die kleine, von mir bereits mehrfach gelobte Videothek (Bild oben), der merkwürdige Änderungsschneidereibauchtanzbedarfsladen, Schuh-Schulz mit seinem einzigartig schlecht gelaunten Scheffe (die Schuhdamen sind nett), die niedlichen Friseurinnen von Haar-Scharf, die superfreundliche Reinigung – das sind erfreuliche Lichtblicke in einem ansonsten tieftraurig stimmenden Straßenbild aus fiesen Flachbauten und spätestens in fünf Jahren ebenfalls anerkannt fürcherlichen Designersünden.
Als Beispiel hier nur dat Backhaus (– wat nu ook all dicht ist – ),
die Öffentliche Bücherhalle (auch zu)
und Poppys – wo ich mich in sieben Jahren nicht hineingetraut habe.
Was im Osten durchs AEZ definiert wird, findet seine weniger naürliche als Natur vortäuschende Nordgrenze durch den Golfplatz des Steigenberger Hotels Treudelberg. Auch hier wird gerade gebaut und vergrößert. Aller Voraussicht nach dürfen wir einfachen Anwohner den demnächst von Löchern umzingelten Wald bald nur noch über genau definierte Fußwege betreten. Die letzten Bauern hat man wohl mit Geld zum Aufgeben gezwungen, Grünflächen werden Greens und wieder verschwindet ein Grund, ausgerechnet hier leben zu wollen. Aber man kann ja noch ableben...
Weiter südlich schließlich macht sich passend das Hospital zum Heiligen Geist breit, ein Altersheim, zu dessen Tag der offenen Tür 2007 ich dann doch lieber nicht gehen wollte, als ich nämlich den Einladungsflyer gelesen hatte: Alle eineinhalb Stunden wiederholte sich das Unterhaltungsprogramm exakt: Das mag für ein beschädigtes Kurzzeitgedächtnis in Ordnung gehen. Aber ich mag derartige Gedankenlosigkeit im Umgang mit Alten weder vergessen noch vergeben.
Und dazwischen? Nun ja: schmucke neue Einfamilienhäuser, von denen aus gezwungen berufstätige Eltern ihre Kindergartenkinder zum Englischkurs fahren, einfach, weil „der Kurs für Mandarin-Chinesisch völlig überlaufen war“. Das unvermeidliche Schweinske. Und keine Kneipe, in der ich bei ein, zwei Bieren sitzen möchte. Gäbe es die, würde ich mich vielleicht dort über Poppenbüttel ausweinen und nicht in diesem Blog.

Andererseits, gäbe es diese schlichte Pinte und nicht nur das Poppys, wäre das ja auch schon ein Grund, den Stadtteil etwas mehr zu mögen.

UPDATE (2.7.09)
Das Poppy ist noch da. Der Croqueladen daneben ist jetzt eine TonerTankStelle. Und wo früher die Bücherhalle war, ist jetzt KIK: Clever kaufen statt Bildungsauftrag, so zu sagen.
Es ist zum Weinen.

UPDATE (März 2012)
Das Poppy ist noch da. Die TonerTankstelle ebenso, auch wenn fast nie einer den Laden offenhält.
Der Bauchtanzladen ist weg, abgerissen, zusammen mit dem ganzen , ziemlich maroden Haus.
Da entsteht gerade was Großes.
Schlecker ist jetzt auch weg. Neben Kik hat gerade der (gefühlt) vierte Chinesnimbiss eröffnet.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Aus golferischer Sicht mag ich hier noch anmerken, daß der Treudelberg-Platz einfach nur furchtbar ist und niemand aus meinem erweiterten golfspielenden Bekanntenkreis gewillt ist, a) die völlig überhöhten Greenfee-Preise zu bezahlen und b) gefühlte zwei Meter unter den Tragflächen der dort im Minutentakt im Anflug auf Fuhlsbüttel befindlichen Linienmaschinen seine Bälle zu schlagen. Außerdem ist der Platz architektonisch uninteressant und nichts, was man mal bespielt haben müsste. Getoppt wird das Erlebnis eines Golftages dort nur noch durch den recht unfreundlichen Service an Rezeption und Bar. Vielleicht ist das Poppys die bessere Alternative?

Unknown hat gesagt…

@Kiki: Ach ja, die Flieger hatte ich vergesen, dabei sind sie wahrlich nicht zu überhören, und wer sagt, er habe sich mit den Jahren dran gewöhnt, der leidet wahrscheinlich schlicht unter altersbedingter Schwerhörigkeit – gibt's hier öfter...

Anonym hat gesagt…

Moin moin.
Interessanter Beitrag, auch wenn ich die Ansichten nicht ganz teilen kann. Ich wohne mit meiner Famile siet 16 Jahren in Poppenbüttel, vor 3 Jahren sind wir innerhalb Poppenbüttels umgezogen. Na klar, die Flugzeuge stören, besonders an schönen Sommertagen, schon, aber das weis man wenn man hier her zieht.
Uns gefällt Poppenbüttel, auch das AEZ. Das gibt es übrigens in seiner ursprünglichen Form seit 1970 und verdrängt nicht plötzlich den Einzelhandel.
Schade, dass Poppenbüttel dir anscheinend so auf den Nerv geht, wir mögen es, trotz mancher unzulänglichkeiten;)
Grüße
Thomas
PS: was bedeutet denn "gezwungen berufstätige Eltern"? Sind nicht alle gezwungen berufstätig? Meine Frau und ich arbeiten beide, denn wir wollen unseren Kindern nicht nur menschlich soviel wie möglich bieten, sondern auch finanziel...
Aber jedem sine Meinung (meinetwegen auch politsch, auch wenn mir die CDU auf die Nerven geht)