Unverzeihlich

(Von Gastautor Monsieur Porneaux)

In einem der schönsten Sketche der Monty-Python-Truppe treten Oscar Wilde, der Prince of Wales, GB Shaw und James McNeill Whistler auf.
Wilde bringt ein Bonmot: "Es gibt auf der ganzen Welt nur eins, was schlimmer ist, als wenn über einen geredet wird, und das ist, wenn nicht über einen geredet wird."
Heftiges, langanhaltendes Gelächter.
Whistler greift die Formel auf und variiert sie: "Es gibt auf der Welt nur eins, was schlimmer ist, als witzig zu sein, und das ist, nicht witzig zu sein."
Wieder längeres Gelächter.
Wilde: "Ich wünschte, ich hätte das gesagt."
Whistler: "Das werden Sie, Oscar, das werden sie."
Wilde: "Majestät, Sie kennen James McNeill Whistler?"
Prince: "Ja, wir haben zusammen Squash gespielt."
Wilde will dieses Duell gewinnen, und er versucht die Formel noch einmal: "Es gibt nur eins, was schlimmer ist, als zusammen Squash zu spielen, und das ist, alleine Squash zu spielen."
Funktioniert natürlich nicht. Keiner lacht.
Wilde: "Ich wünschte, ich hätte das nicht gesagt."
Whistler: "Haben Sie aber, Oscar, haben Sie."

Soweit zu dieser Formel.
Ich mag diesen SKETCH, der dann noch einige Minuten weitergeht, wirklich gern (der Text in deutscher Übersetzung übrigens HIER).

Gern auch mochte ich über lange Zeit die Texte von Henryk M. Broder.
Er schrieb stets giftig und immer einfallsreich, bevorzugt über den unterschwelligen Antisemitismus der deutschen Linken, und eines seiner gern gebrauchten Lieblingszitate war eines von Zwi Rex:
"Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen."
Schön formuliert, diese Aussage, und überraschend durch eine unerwartet vertauschte Perspektive - bis man das festgestellt hat, ist man mit dem Lesen schon am Ende des Satzes angekommen.

Offenbar gefällt Herrn Broder der Gedanke, dass die Deutschen irgendjemandem irgendetwas nicht verzeihen könnten so gut, dass er ihn als Formel noch fast 2o Jahre später anwendet; ich fand in der "SPIEGEL"-Rezension des Dani-Levy-Films "Mein Führer" eine Erklärung, dass den Deutschen dieser Film nicht gefallen wird: "die Deutschen wurden nicht von einem Dämon verführt, sondern von einem impotenten Niemand mit Flatulenzproblemen"; "von einem Dämon verführt zu werden, ist schlimm, von einem Niemand verführt zu werden, peinlich".
Das sei, was die Deutschen bis heute plage; und das sei etwas,
"was sie sich nie verzeihen können: das Dritte Reich ist ihnen peinlich."
Gnadenlos, diese Deutschen. Selbst mit sich selbst. Wie mag das nur mit Anderen sein? Noch gnadenloser? Ja, geht denn das?

Drei Wochen später bekam ich die Antwort, als Broder eine provokant vorgebrachte Mutmaßung in der "WELTWOCHE", einem Schweizer Wochenblatt, unterbrachte.
"Die heftigste Amerikakritik grassiert in Deutschland", so der Untertitel des Broderschen Artikels, der unter dem Titel "Späte Rache" in der Rubrik "Die Deutschen" erschien.
Die weitere Zeile des Untertitels griff wieder auf die bewährte Formel zurück und lautete:
"Man verzeiht den Amerikanern nicht, von ihnen befreit worden zu sein."
Ja, die Deutschen sind in der Konsequenz des Nicht-Verzeihens bei Anderen offensichtlich noch härter als bei sich selbst:
Wenn sie sich selbst und ihre Vergangenheit nicht verzeihen können, meiden sie einfach einen bestimmten Kinofilm.
Wenn sie einem anderen Land eine Befreiung nicht verzeihen können, entwickeln sie eine kritische Haltung diesem ganzen Land gegenüber, und ganz besonders dessen Regierung, wie sich in den letzten Jahren zeigt.

Stilistisch fällt auf, dass sich Broder immer weiter vom (im Original ja nicht von ihm stammenden, wenn auch von ihm gern zitierten) Paradoxon entfernt. Über das provokant wirken sollende "Die Deutschen können [XYZ] nicht verzeihen" gehen Broders Aussagen inzwischen nicht mehr hinaus.
Was eigentlich schade ist.
Denn früher mochte ich seine Texte ganz gern.


Hmmm.
Ich versuchte mich mich einer inhaltlichen Kritik an den Beispielen eigentlich zu enthalten, obgleich mir auffällt, dass Broder in beiden Beispielen auf verzeihungsunwillige Deutsche anspielt, die seit den genannten Ereignissen, die Befreiung durch die Amerikaner (übrigens auch Russen und Engländer, daher die ausgeprägte Russland- und England-kritische Haltung hier in Deutschland), bzw. das Hereinfallen auf einen flatulenzgeplagten impotenten Niemand, 62, bzw. 74 Jahre älter geworden sein dürften.

Und wenn sie nicht gestorben sind, verzeihen sie noch heute.
Nicht.
Und sei’s nur, damit Herr Broder seine Formel noch lang anwenden kann.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gott vergibt. Broder nie.
Aber hey: Bin ich meines Broders Hüter?

Anonym hat gesagt…

Broders Hütler? Wär möchte das schon sein?

Anonym hat gesagt…

Broders and sisders - clap your heads!