Etikettenschwindel de luxe

In edlem Glanz auf mattes Schwarz gedruckt war der Flyer, den uns eine Freundin mit verschwörerischer Miene in die Hand drückte. Sie betreibt eine eher hochpreisige Boutique im Alstertal-Einkaufszentrum, das sich seit seinem Umbau mit dem Claim Shopping de Luxe schmückt. Und sie sagte uns, dieser Flyer sei die schwer erhältliche Einladung zu einem hoch exklusiven Ereignis, nämlich dem Nightstyle Shopping am 13. April, während dessen ausgewählte Geschäfte für ausgewählte Gäste bis 00:00 Uhr geöffnet bleiben würden. Aus dem Faltblatt erfuhren wir en détail, was dem geneigten Kundenkreis alles geboten werden würde:
  • Shopping der Extraklasse
  • Catwalk-Modenschauen
  • Premium-Autopräsentationen
  • Begrüssungs-Champagner & Fingerfood
  • Entertainment & Musik
  • Weinauktion & -Verkostung
Da mussten wir natürlich hin. Und wir stellten uns auch was sehrsehrsehr Exklusives vor: Bodyguards neben den mit rotem Teppich ausgelegten Eingängen, die die Einladungen freundlich aber unnachgiebig kontrollieren. Champagnerflöten in den schwer beringten Händen reich verheirateter Damen mit teuren Frisuren. Modenschauen wie in Beverly Hills. Und vor all dem Korsos teuerster Karossen, deren jede im AEZ Parkhaus mindestens zwei Stellplätze braucht, schon, weil der Chauffeur schon Feierabend hat und man das Selbereinparken gar nicht mehr gewohnt ist.

(Faltblatt de Luxe)
Naja, war dann eher anders:
Etwa ein Drittel der Läden hatte länger auf. Die Eingänge waren offen, – von wegen Türsteher: jeder niedrigste Vertreter noch des untersten, gar randalierenden Lumpengesindels hätte rein gekonnt zum Shoppen gucken. Viele größere Geschäfte waren entweder zu und demzufolge menschenleer oder offen und auch mnschenleer. Zwei BMWs standen im Flur, flankiert von Tischchen mit Broschüren.
In einem Modenladen – in dem es uns im Übrigen gut gefiel – hatte sich die Besatzung bereits gegen 21:30 gut betrunken und demzufolge Spaß. Die uns nur unter der Hand zugänglich gemachten Einladungen lagen hier stapelweise zum Mitnehmen neben der Kasse.

Immerhin entdeckten wir kurz vorm Rausgehen zwei adrette junge Menschen hinter einem langen Tisch, denn wir unsre Einladung aushändigen durften. Dafür bekamen wir eine schwarze Stofftragetasche mit Reissverschluss und dem Aufdruck „Nightstyle Shopping“. Und, ach ja: zwei Gutscheine für je ein Glas Champagner.

(Tüte de Luxe)
War ein netter Abend, wenn ich auch zugeben muss, dass wir – als mit allen Wassern gewaschene Werber – auf Werbung hereingefallen sind, die mit der Wirklichkeit fast nichts zu tun hatte. (So steht denn auch auf der Web-Sub-Seite: Aktionen des AEZ nur der folgende etwas ungelenke Satz:
Ein voller Veranstaltungskalender mit hochwertig inszenierten Erlebnisaktionen, Events und Ausstellungen machen das Alstertal Einkaufszentrum zu einem Ort mit ganz besonderer Anziehungskraft.
Und dann rechnet man mit eben dem Kalender und es kommt ... rein gar nichts.)

Das Nightstyle Shopping war also schlicht eine längere Öffnungszeit.
Wir hätten’s also wissen müssen, genau wie unsere Freundin, die Ladenbesitzerin, die den teuer gedruckten Ankündigungen des Center Managements künftig auch nicht mehr glauben dürfte: Letzten Endes bleibt die wahrscheinlich längste Praline der Welt eben doch nur ein ganz ordinärer Schokoriegel.

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