Och, nö.

Sie hat jedem in der Klasse geschriben. Sogar die den Mädvchen. Und auch sollen wir alle gleich ein paar Jahre, und dass findig doof. Außerdem glaub ich ihr nicht. Die tut nur so lieb.

Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Zeichnen*

Manchmal nehm ich mir ein Stück bedrucktes Papier und mal drauf und drüber.
Das Schöne daran: an sich zeichnet die Hand fast von selbst.
Ich kann währenddessen an Gesprächen teilnehmen, auf mein Gegenüber eingehen (– meine Frau findet, eher weniger –), einen Gedanken weitereintwickeln... und, weil meine Vorlage sich nicht bewegt, auch mal unterbrechen, um zu gestikulieren oder einen Schluck Wein zu trinken.

Manchmal gefällt mir das Ergebnis.
Das Gezeichnete fast immer.

Hin und wieder aber auch das Erdachte.

Während ich z.B. das hier schreibe, fällt mir ein, dass ich beim Zeichnen des älteren Herrn an die Hamburger Schrottplatzfirma Kiesow denken musste, die früher mit dem Satz warb:
Mir noch nie so wie bei Kiesow.
Und da habee ich die Assziation und Idee, sowas auch für Kieser Training zu formulieren.
Mir ging's nie fieser als nach Kieser.
Wie gesagt, eine Idee, beim Schreiben entstanden.
Zum Glück nur eine.



...

("Well, back to the old drawing board." Peter Arno in "The New Yorker", 1941)

*sehr frei formuliert nach Heinrich von Kleist
(Außerdem und alternativ passt auch die Überschrift "Über die allmählicher Verfertigung der Zeichnungen beim Denken".)


 

Der arme Mann, der Becker und die Räuber.

Es war einmal, vor nicht so langer Zeit, da hatte noch nicht jeder einen Computer zuhaus. Denn auch wenn diese klugen Maschinen jeden Tag ein bisschen billiger wurden, so waren sie doch immer noch recht teuer, und nur die klügsten und reichsten Bürger konnten sich einen kaufen und damit gar Post versenden. Ein berühmter Ritter, er hieß Boris Becker, war einer von den reichsten. Und sein Management war eines von den klügsten, verstand es doch sein Handwerk so gut, dass der berühmte Ballprügler sogar noch Geld dafür bekam, wenn er sich im Internet anmeldete, statt wie alle anderen dafür bezahlen zu müssen. Und dazu musste nur sagen: "Bin ich schon drin?" Und "Das ist ja einfach."




Des freute sich ein Mann, der das Internet nun mal brauchte, auch wenn er nie zu den reichsten gehörte und gehört. Er war klug genug, einzusehen, dass sein technisches Verständnis auch nicht größer war als das des rothaarigen Stammlers, weshalb er beschloss, wie der Tennisritter mit AOL "drin" zu sein.

Also erdachte er sich ein Zauberwort, das niemand außer ihm je kennen sollte, und dieses Zauberwort öffnete ihm die Tür zu den unendlichen Weiten des Internets, den gern besuchten Zoos voller niedlicher Katzen und ihrer stolzen Besitzer, zum Wissen der Welt, und, wenn ihm darnach gelüstete, zu den Bezirken, wo man sich tolle Musik, Filme und vieles andere für wenig Geld herunterholen konnte – herunterholen, ja, das war wohl die rechte Übersetzung des englischen Wortes.

Und so hatte er viele Jahre recht viel Freude, und wenn sich auch manche Freunde von ihm zurückzogen und er sich ebenso von ihnen – so gewann er doch auch deren neue, mit denen er Dank Fürst Zuckerberg und König Brin jederzeit und überall plaudern konnte, ohne dass ihn das zu irgendwas verpflichet hätte. So dachte er, und er freute sich seines – in Wahrheit recht einsam-öden – Lebens. 

Doch es kamen Diebe ins Land und drangen ein in die Burg AOL, deren Wachposten schlecht bezahlt wurden und deshalb immer weniger wachten. (Die Burg war, ganz wie der bekannte rothaarige Stammler, in alle den Jahren verfallen und alt für das geworden, was sie mal gekonnt hatte. wars bei dem einen Tennis, wars bei der anderen Tcehnik.) Die Diebe machte sich über die Schatztruhen her und plünderten sie, bis auf das letzte Passwort und noch den entferntesten Kontakt.

Und schon am nächsten Tag verschickten sie rätselhafte Schreiben in alle Welt, darin von Steifheit fördernden Mittel die Rede war, von Pülverchen, die den fetten Wanst kurierten, won Weibsen, welche sich nach Buhlschaft sehnten und dazu ihre schönsten Bilder zeigten.




Ein Versender dieser Post war, so schien das Siegel darauf zu verraten, jener auch nicht mehr ganz junge Techniktölpel, der sich vor Jahren, Becker folgend, unter das Dach derer von AOL begeben hatte. Und manch ein Empfänger schrieb ihm darob erbost, dass er solcherlei Geschwätz von harten Gliedern, Fettleibigkeit und geilen Metzen nicht leide, dass er sich frage, wes Geistes unser Held denn plötzlich sei.

Der tat Abbitte und erdachte sich gar bald ein neues Passwort und schwor, dass nie, nie wieder solches ihm wiederfahren sollte, jedoch...

(Hier endet die heutige Folge unserer spannenden Märchenreihe "Der Phischer und sin Coup".
Wird es unserem Helden gelingen, die bösen Räuber von seinem Rechner fernzuhalten. Will wer den alten Burgherrn kaufen? Verpassen Sie auch die nächste Folge unter dem Titel: "Der Apple des Paris und der Kampf um den Trojaner.")

Nein. Es ist nichts Ernstes. Bloss nicht.

Es weiß ja jeder, dass Ärzte die fiesesten Witze über Krankheiten, Kranke und Kunstfehler machen. So wie Lehrer wahrscheinlich die sarkastischsten Schulscherze und, na ja, Atommanager die zynischsten Vorschläge zur Entsorgung alter Kernreaktoren.
Werbetexter wiederum sind die größten von all diesen lustigen Vögeln: Sie schreiben ja bekanntermaßen über alles lobend, was ihnen als Auftrag so reinkommt. Ob das nun Blumen, Benzin oder Geldanlagen sind, Schokoriegel, Parfüms oder, wie in meinem aktuellen, Fall Dekorationen für Trauerfeiern. Und sie machen sich – wie es bei Regieanweisungen gern heisst "bei sich" – lustig. So viel vorweg.

Momentan schreibe ich, wie gesagt, an Texten für eine Firma, die Dekorationen für Trauerfeiern liefert. Im Gespräch mit dem Kunden wurde natürlich schnell – und wenig überraschend – klar, dass eine Bestattung für den Bestatter eine recht nüchterne Angelegenheit ist und sein muss: Sonst wird er ja verrückt. (Für mich ist es ebenfalls ganz hilfreich, bei noch den sentimentalsten Texten nüchtern zu bleiben. 'S ist halt keine Literatur, sondern Zwecklyrik, was ich da mache.) Unter anderem habe ich jetzt z. B. gelernt, dass es sogar Messen für Bestatter gibt, die aber eben in Kongresszentren und nicht in Pfarrkirchen veranstaltet werden. Ich fand das Zusammengehen von profanem Geschäft und tiefstem Gefühl so irritierend wie interessant. Eher neugierhalber und halb zum Scherz habe ich dann zuhaus auch mal nach dem Wort "Sargkatalog" gegoogelt.

Und ja: auch sowas gibt es, vereinzelt auch zum Download. Die Gelegenheit ließ ich mir natürlich nicht entgehen und erwischte gleich den Katalog, der von allen am fiesesten fotografiert wurde.
Vor zwei braunen Türen mit einer merkwürdigen Säule dazwischen stehen von Seite zu Seite wechselnde Behältnisse mit Preisangaben und z.T. Namen ("Le Grand Bleu" war so einer.) Das von hinten kommende Sonnenlicht wandert auf dem Fussboden hin und her und die Kamera wird hin und wieder mal ein paar Zentimeter verrückt.

Ich hab die Bildfolge dann gleich verfilmt. Unter dem Titel "Serviervorschlag".

"Serviervorschlag"
(Animationsfilm, 19 sec, D 2014)


Und ich hab gelacht.



Nur bei der letzten Seite nicht. Da steht dann nämlich der "Kindersarg Leonhard, ab 705 Euro" und sieht aus wie frisch aus dem Kinderzimmer umgezogen.


Und ein Teddy guckt zu. Fand ich plötzlich nicht mehr lustig. Wollt ich mich nicht mal mehr über das Design auslassen. Bin ich lieber still.