Neue Wörter (Sonderfolge Kaffeeversandhaus)

Wer's dreimal in der U-Bahn laut ausspricht und dabei die roten Galoschen mit den Hacken gegeneinander schlagen lässt, kommt unter Umständen nicht nach Kansas, wird aber von den Umsitzenden so angeguckt, als musste er wenigstens sofort nach Ochsenzoll:
Milchaufschäumkännchen

Milchaufschäumkännchen


Milchaufschäumkännchen

Irre bei Tchibo?


Auf diese Anfrage zu diesem Problem teilte Tchibo mir jetzt Folgendes mit:
Sehr geehrter Herr Thiessen,
vielen Dank für Ihre E-Mail.

Über Ihr Interesse an unseren Produkten freuen wir uns. Die Playstation ist jedoch bereits ausverkauft. Das tut uns leid.

Wir bieten Ihnen "Jede Woche eine neue Welt" und können nur liefern, solange der Vorrat reicht. Momentan können wir Ihnen leider nicht sagen, ob und wann der Artikel wieder angeboten wird.
Unser Tipp: Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter. Darin informieren wir Sie immer rechtzeitig über attraktive neue Angebote. Hier können Sie sich für den Newsletter Anmelden.
Wir freuen uns, Sie bald wieder bei Tchibo zu begrüßen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Tchibo.de-Team
  
 
Mal ganz abgesehen von dem unorthodox groß geschriebenen Anmelden – das beantwortet die Frage nicht so richtig. Eigentlich gar nicht. Ganz und gar nicht.
Soll ich das Tchobo.de-Team darauf hinweisen?

...Ich glaube, ich hake mal nach...

E-Mail von Tchibo

Da gehe ich ausnahmsweise auf die Tchibo-Internetseite und mache mich hier über die tollen Sonderangebote lustig, schon kriege ich Post:
Schön, dass Sie wieder bei uns sind.

Lieber Herr Thiessen,

schön, dass Sie uns wieder besucht haben. Sichern Sie sich jetzt noch schnell Ihr gratis Milchaufschäumkännchen, falls Sie dies noch nicht getan haben!
Wir freuen uns schon auf Ihren nächsten Besuch!

Jetzt Milchaufschäumkännchen sichern!  
 
Ist das nicht lieb?

Zur Feier des Tages schmeiß' ich gleich meinen DVD-Player an und gucke "Milchkännchen und Fischstäbchen in der Antarktis."

Sparen bei Tchibo.

 
Vor knapp 30 Jahren bot der Kaffeeröster Tchibo eine neue Sorte besonders ergiebiger Kaffee-Bohnen an, was sich einer damals völlig neuen Röstung verdanken sollte. Was so ergiebig war, sollte natürlich auch satte Gewinne bringen, weshalb die gewohnt große Packung nur noch 400 statt 500 Gramm Kaffee enthielt (wohl, weil die Bohnen aufgeblähter waren) und dabei etwa gleich viel kostete.
Das merkten die Verbraucher und nahmen übel, und deshalb gab es dann bald eine neue Kampagne IHR PFUND IST WIEDER DA!

An diese kleine Anekdote meiner Jugendzeit musste ich denken, als ich heute von dem Online-Versandhaus Tchibo (das übrigens nebenher immer noch Kaffee verkauft) per E-Mail zu diesem tollen Sonderangebot geführt wurde:
Eine Playstation mit allem PiPaPo, das musste ich mir doch gleich genauer ansehen – bin ich doch inzwischen Vater eines zehnjährigen Kindes:
Super! Das hat mich gleich überzeugt, kann es sich doch nur um die berühmte Null-Prozent-Finanzierung handeln...

Naja, ich habe jedenfalls mal bei Tchibo nachgefragt. Bin sehr gespannt.

Kultur mit ohne zu gebrauchen

Gute Plakate bra
uchen nicht form
uliert, um interes
sant, sie müssen  ge
umbrochen werden.

HVV erhöht die Preise.

Aber nur einmal und nur bei mir, bei meiner Tageskarte.
Dafür aber ordentlich.

Wesen und Unwesen der Werbung

Vor einigen Jahren verblüffte mich der Chef einer kleinen Agentur, als im Briefinggespräch die Frage aufkam was denn wohl das "Beschwerdewesen" wäre und er, nach einer kleinen bedeutsamen Pause, antwortete, das wäre so ein kleines niedliches, aber eben nörgeliges Wesen.
Was damals ein lustiger Witz war, taucht zunehmend nervig in der Reklame auf: So heißt ein Buch tatsächlich das Rekru-Tier.
Und die aktuelle Werbung der Volks- und Raiffeisenbanken entblödet sich nicht, das Investier in mir wecken zu wollen.
Was der als mittlerweile ja als topseriös geltenden Investmentbranche sicher tierisch viel Erfolg bringen dürfte.
Vielleicht ist ja der oben genannte Agenturinhaber so zu sagen das Patentier all dieser Kal-aua.

"Er hat gern gelebt."

Himmelfahrt in Wien: Postmortale Lesung aus HGBs Büchern.
Wir lernten uns im Sommer 1984 kennen, kurz, nachdem ich nach Hamburg-Winterhude gezogen war. Ich saß auf einer Bank am Schinkelplatz und zeichnete die gegenüberliegenden Häuser ab, unter der Eiche in der Mitte des Platzes lungerten ein vollbärtiger Endvierziger und zwei jüngere Typen herum. Einer von den beiden kam zu mir herüber und stellte mir die Frage aller Fragen: „Zeichnest Du?“ und dann das unvermeidliche „Machst Du das beruflich?“ und bevor ich angemessen antworten konnte, brüllte der Bärtige von der Eiche zu uns herüber: „Frag den Herrn Künstler recht viel. Das haben sie gern, die Künstler!“

Zum ersten und einzigen Mal versuchte ich seinen österreichischen Akzent zu imitieren, als ich ihm antwortete, dass mich das, im Gegenteil, eher stören würde, denn ja! Ich wollte zeichnen!

Am gleichen Abend saß ich bei Hans-Georg Behr am Küchentisch, der sich unter Kristallglas und großen Bestecken bog und aß irgendwas, was ich noch nie gegessen hatte und was unglaublich lecker schmeckte. Während wir aßen und dann Schnaps tranken und Zeug rauchten und wieder tranken, erzählte  er von sich. Davon, dass er Schriftsteller wäre. Und Journalist. Und dass er jetzt am Schinkelplatz mit der von ihm initiierten „Winterhuder Shakespeare Company“  Büchners „Leonce und Lena“ inszenieren würde. Und dass ich unbedingt das Flugblatt dafür zeichnen müsse. Und dass er einen Prozess wegen geistigen Mitbesitzes von soundsoviel Gramm Marihuana am Hals hätte. Und wie sehr er seinen damaligen Geliebten Simon lieben würde. Und. Und. Und mir schwirrte der Kopf, auch wegen der Joints, die die Runde machten.

In den folgenden 25 Jahren machte er so weiter. Er lebte und liebte und brüllte und charmierte und inszenierte alles vollkommen öffentlich, ob es um seine Herkunft aus österreichischem Adel ging oder seine Texte für das Kursbuch, ob er bei RTL auf dem „Heißen Stuhl“ für die Legalisierung des Kiffens stritt oder in einer Kneipe mit einem rassistischen Dumpfmuff, der versuchte, ihn mit „Der Wiener“ zu beleidigen. Jeder Anfang einer Beziehung war der schönste aller Zeiten und die begeisterten Elogen auf den Jeweiligen nervten jeden Zuhörer irgendwann genauso wie die Tiraden, wenn’s denn, manchmal auch erst nach Jahren, wieder aus war.

Doch tatsächlich war er ein hervorragender Schreiber, ein unglaublich neugieriges Trüffelschwein,  auf der Suche nach Geschichten und neuen Rezepten, zu denen er uns dann einlud, ob wir nun wollten oder nicht. Viele hatten das irgendwann satt. Und manche kamen wieder. In einer melanchlischen Stimmung saget er einmal zu mir, letzten Endes wäre er doch nur ein guter Plauderer. Ansonsten hätte er nichts Vernünftiges gelernt, was stimmt, wenn Vernünftig heißt: Geld verdienen und reich bleiben. Wenn er welches hatte, lud er so lange ein, bis nichts mehr da war.

Hans-Georg Behr vor ungefähr 70 Jahren

Die Hypochondrie: Manchmal hatte er Knochenkrebs, dann war die Warze am Finger eine Melanom, der Verdauungstrakt gefährdete ihn ebenso wie das Herz. Und während sich bei all den abenteuerlichen Erzählungen aus Hans-Georgs Leben immer irgendwann zeigte, dass sie eben doch stimmten, glaubte ihm kaum einer seine Wehwehchen. Ich auch nicht.
Nicht mal seinen Schlaganfall vor dreieinhalb Jahren mochte ich richtig ernstnehmen, bevor ich ihn im Krankenhaus St. Georg besuchte. Danach lebte er weiter in seiner Wohnung, in seinem elektrisch verstellbaren Bett, hielt weiter Hof, lud zum Essen ein, rauchte einen Joint nach dem anderen, schwadronierte und dozierte und verkündete manchmal, eigentlich keine Lust mehr zu haben.

Hans-Georg Behr, müde, vor einigen Wochen

Im Frühjahr 2010 heirateten er und Eckard, der seit bald 35 Jahren mit ihm die Wohnung geteilt hat. Natürlich gab’s eine Party.  
Und vor einigen Wochen hörte er auf, zu essen. Er wolle nun wirklich nicht mehr, sagte er. Ich hab’s ihm nicht geglaubt.

Gestern, am 8. Juli 2010 ist Hans-Georg Behr mit 73 Jahren gestorben. In seiner Todesanzeige lässt er ausrichten, er habe gern gelebt, und, dass er sich Trauerkleidung verbittet. Er war, wenn ich mich nicht verrechne, der längstjährige meiner in Hamburg lebenden Freunde.
Ich werde ihn vermissen.

Bücherstöckchen (Tag 14)

"Ein Buch aus deiner Kindheit"

Ganz klar: "Das fliegende Klassenzimmer" von Erich Kästner.
Wegen Jonny und dem Nichtraucher, wegen dem kleinen ängstlichen Uli, der mit einem Regenschirm Mut beweist. Wegen Matz. Wegen der verbrannten Klassenarbeit und einer Reihe Ohrfeigen. Wegen Alleinsein und Freunde haben. Wegen der Zeichnungen von Walter Trier.


Und besonders wegen der Vorrede, in der Kästner den Lesern, also damals auch mir, zurief: "Vergesst eure Kindheit nicht!" – verbunden mit der Empfehlung, Erwachsenen nicht zu glauben, die von den dem immerwährenden Glück ihrer Kinderzeit schwärmen. Die lügen nämlich. Oder haben vergessen.

Bücherstöckchen (Tag 13)

"Ein Buch, bei dem Du immer lachen musst."

Ich hab die Frage mal ganz naiv verstanden, was nicht ungefährlich ist. Denn ein Buch, bei dem "Lachen" auf dem Etikett steht, ist immer riskant. (Außer bei vielleicht Wasserlachen oder Blutlachen).
Wenn gar „Lachen mit...“ der Anfang eines Buchtitels ist, dann klingt das bedrohlich. Schließlich könnte es auf eine Ansammlung der strunzdümmsten Scherze von Mario „DasistmeinLaden“ Barth hinauslaufen, oder auf das Lustigste von Peter Frankenfeld (leider nur in Schriftform und schon deshalb nicht mehr lustig), schlimmstenfalls ist das Buch bei dem ziemlich katholischen Weltbild-Verlag erschienen und ein ehemaliger Nachrichtenverleser vom ZDF erzählt uns „nachdenklich machende Geschichten mit einem Lächeln im Knopfloch“ unter der Überschrift „Lachen mit Peter Hahne“.
In diesem Fall ist das anders: „Lachen mit James Thurber“ erschien erstmals 1964 bei Rowohlt und versammelt jede Menge wunderbar schimmernder Perlen zu einer Kette, die ich wie einen Rosenkranz eine nach der anderen und dann gleich wieder von vorn herunterbeten möchte.
(Das einzige, was mich an dem Buch stört, ist, 
dass keiner von Thurbers Cartoons gezeigt wird. Solche wie z.B. der hier...)

Hier ein paar Beispiele für Thurbers Schreibkunst: 

„Die Winships trennen sich“ ist der Titel eines Dramas, das auf einer besoffenen Cocktailparty seinen Anfang nimmt: 
(...) Endlich riss sich Marcia zusammen und fragte ihn ganz ruhig, welchen lebenden oder toten Schauspieler von Film oder Bühne er nun  eigentlich für größer halte als die Garbo.
Gordon überlegte kurz und sagte dann ebenso ruhig, wie sie ihre Frage gestellt hatte: „Donald Duck“. (...)
Was so anfängt, kann nur mit Scheidung enden. Tut es auch.
„Walter Mittys Geheimleben“ beschreibt die abenteuerlichen Träumereien eines unauffälligen New Yorkers Mannes, der mit einer erschreckend realistischen  Frau verheiratet ist:
(...)„Nur ruhig, Mann!“ sagte Mitty leise und kühl. Er eilte zu der Apparatur, die jetzt pocketa-pocketa-quiek-pocketa-quiek machte, und fingerte vorsichtig an den blitzenden Knöpfen herum.
„Geben Sie mir einen Füllfederhalter!“ Im Handumdrehen hatte er den schadhaften Kolben durch den Füllfederhalter ersetzt, den ihm jemand reichte.
„Das wird’s 10 Minuten lang tun“, sage er. „Sie können weiteroperieren.“(...)
Das Buch schließt mit einer Reihe ziemlich unfreundlicher „Fabeln für Zeitgenossen“.
Statt grimmsch ist das Rotkäppchen hier eher grimmig: 
Sie war noch keine drei Schritte auf das Bett zugegangen, da merkte sie, dass es nicht ihre Grossmutter war, sondern der Wolf, denn selbst in einer Nachthaube sieht ein Wolf einer Großmutter nicht ähnlicher als der Metro-Goldwyn-Löwe dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Also nahm das kleine Mädchen einen Browning aus Ihrem Korb und schoss den Wolf tot.
Über so was kann ich sehr lachen. Mit James Thurber eben.

Bücherstöckchen (Tag 12)

Ein Buch, das du von Freunden/Bekannten/… empfohlen bekommen hast.
Eine ganze Menge gibt's da. Und eine genze Menge kann ich weiterempfehlen.
Darauf kommt's doch an, oder? 
Hier also eine kleine persönliche Auswahl:
Eckermann, Gespräche mit Goethe. Henscheid, Die Vollidioten. Frank Miller, Sin City. Andreas Thalmayer, Das Wasserzeichen der Poesie. Italso Svevo, Ein Mann wird älter. Italo Calvino, Wo Spinnen ihre Nester bauen. Bill Bryson, Mein Amerika. Bernstein, Gernhard, Waechter, WimS Gesmatausgabe.
Und so weiter.

Bücherstöckchen (Tag 11)

Ein Buch, das Du mal geliebt hast, aber jetzt hasst. 
Was soll ich denn da hinschreiben?

Mag sein, ich mag manche Bücher nicht mehr so sehr, die ich früher mochte. Möglich, dass mir die weitaus größte Mehrheit aller Bücher herzlich wurscht ist – nee, und da geht's schon los:
Die Vorstellung, ein Buch z.B. wegen Hasses auf den Müll zu werfen, tut mir in der Seele weh, lass mich noch eben mal reingucken, vielleicht gefällt's mir ja wieder, ach nee, doch nicht, aber wegschmeißen? Zugegebne, die Illustrationen sind wirklich deutlich schlechter, als ich sie früher fand, und dass der Autor begeistert eitel war und seine Vollmeise im Alter immer schlimmer wurde, ist natürlich ü-ber-haupt nicht okay. Aber der Einband ist so schön. Und schließlich war der mal einer der meistgelesenen... Ich kann's ja als Kuriosum aufbewahren. Oder? Pass auf, ich stell's nach untenhinten ins Regal und dann gucken wir mal in einem Jahr.

Immerhin weiß ich ein paar Bücher, über die ich so zumindest in Teilen würde diskutieren müssen.
Die Häschenschule von Fritz Koch-Gotha

Anleitung zum Unglücklichsein von Paul Watzlawick

und Jörn Uhl von Gustav Frenssen


Komische Kombination? Okay, zugegeben, aber pass auf, ich stell sie erstmal nach hintenunten ins Regal (vor sich hin plaudernd nach links ab... Es wird dunkel auf der Bühne. Der Vorhang schließt sich langsam bis zum nächsten Beitrag, während wir den Sprecher in der Ferne weiter murmeln hören.)

Neue Wörter (Folge 37)

 
Wie präzise die deutsche Sprache bei konsequenter Worterfindung sein kann, zeigt sich an diesem schönen Beispiel, das mir (von einem ungenannt bleiben wollenden Gewährsmann) zugesandt wurde.
Abendteuer
sagt genau, wie's ist. Danke, Gewährsmann. Es hat mich sehr gefreut.