Bevor wir hier zum Tagesgeschäft zurückkehren, möchte ich hier doch noch die Gelegenheit ergreifen, die Worte meines Vor-Schreibers vom 19. Februar ("Feigheit vor dem Feind") etwas zu relativieren:
Gleich vorab: Ich mag den Guttenberg nicht. Ich habe grundsätzlich nichts für Leute übrig, die „von Adel sind“[…]
Das ist doch eine etwas sehr strenge Herabwürdigung eines Mitglieds einer kleinen Gruppe einzelner mutiger adeliger Mitbürger, die schon seit Jahrhunderten immer wieder versuchen, die Parallelgesellschaft, der sie entstammen, gegen deren Widerstand endlich in unser demokratisches Gemeinwesen einzugliedern.
Die Regeln und Reglementierungen der Rituale und geradezu stammesähnlicher Zeremonien sind im zu Guttenbergschen Milieu sehr streng und eng, ganz so, wie man es eben auch aus anderen, ebenso integrationsunwilligen Parallelgesellschaften in Deutschland kennt.
Zwar sind die anderen Parallelgesellschaften zumeist nicht sozial, sondern religiös motiviert, doch das bedeutet nur, dass bei diesen ein Zutritt eher möglich ist als bei der "adeligen" Parallelgesellschaft zu Guttenbergs; hier muss man, um hineinzukommen, adoptiert werden, einheiraten oder –natürlich– hineingeboren sein.
Ein Ausstieg aber ist aus beiden Arten von Parallelgesellschaften kaum oder nur unter sehr schwierigen Umständen möglich, dafür sorgt bei beiden Arten eine starke Reglementierung sämtlicher Lebensumstände:
Hier wie dort beginnt diese Reglementierung bei der Geburt und Erziehung, sie umfasst die Ausbildung, der Kleiderordnung, die Wahl des Berufsfeldes, ja selbst die Art der zulässigen Sozialkontakte unter besonderer Berücksichtigung der Wahl der Partner.
Deckungsgleich mit anderen Parallelgesellschaften wird auch in zu Guttenbergs Herkunftsmilieu der Frau eine besondere Rolle zugewiesen, hier wie dort hat sie eine Sonderstellung, die Rolle der die Brut versorgenden Mutter.
Nun wird in Guttenbergs Milieu von den Frauen keine Verschleierung verlangt, um die ungezügelten Triebe der Männer dieser Parallelgesellschaft im Zaume zu halten, zumindest keine Ganzkörperverschleierung.
Dem Adel genügt es zumeist, die weiblichen Formen den begehrlichen Blicken zu entziehen durch blickdichte Strümpfe, festes Schuhwerk und dicke gewachste Unisex-Jacken, und alles in kleidsamen Erdfarben.
Gern gesehen wird auch hier bei den Frauen das Kopftuch, welches durch Abbildung schweren Zaumzeugs auf die agrikulturelle Herkunft der Trägerin hinweist.
Hier gilt übrigens (ganz wie bei anderen Parallelgesellschaften), dass die Frauen sich diesem Diktat der Verhüllung durchaus freiwillig unterwerfen; wer hier von "Zwangsverhüllung" spricht, verkennt die sozialen Mechanismen, die bei den Parallelgesellschaften religiöser Art eine Verschleierung durch Burka oder Niqab fordern.
Doch auch die Männer haben’s hier nicht leicht:
selbst wenn ihnen hier, wie in den religiösen Parallelgesellschaften, eine ungezügelte Triebhaftigkeit unterstellt wird, die nur durch Verhüllung der Objekte ihrer Begierden gezähmt werden kann, so haben auch die Männer eine fest zugewiesene Rolle zu erfüllen, die des Ernährers.
Und auch sie müssen dieser sozialen Forderung in einer Art Schutzkleidung nachkommen, dem sogenannten "Anzug".
Die Hände dürfen hierbei nicht schmutzig werden; dennoch sind Handschuhe nur im Winter oder bei der Gartenarbeit erlaubt.
Auch der Haartracht wird hier –wie bei den Frauen– eine Art "magische" Wirkung zugeschrieben:
wiewohl das Männerhaar gern ein wenig länger als gesellschaftlich üblich getragen wird (oft in Kombination mit in anderen Gesellschaftsteilen so genannten "Nackenspoilern", die hier aber nur knapp auf den Hemdenkragen aufstoßen), darf das Haupthaar keinesfalls das Gesicht verdecken. Um dieses zu vermeiden, kommt oft und gern sogenannte "Pomade" zum Einsatz, um der Fülle der –in späteren Jahren allerdings oft altersbedingt dünneren– "Löwenmähne" Herr zu werden.
(Nur nebenher bemerkt: ein Problem stellen hier die allgegenwärtigen Imitatoren dieser sozialen Parallelgesellschaft dar, die sich täuschend ähnlich verhalten und kleiden, man denke nur an Herrn Nonnenmacher.)
Nicht übersehen werden darf auch der Schmuck, der in dieser Parallelgesellschaft bei beiden Geschlechtern eine besondere, rituell "magische" Bedeutung zukommt.
Heranwachsenden Sprößlingen des Adels wird als Initiationsritus ein so genannter "Siegelring" mit hauseigenem Wappen übereignet; dieser Ring wird von der Jugend an bis zum Tod nicht abgelegt, um dem Träger oder der Trägerin die Zugehörigkeit zu ihrer Parallelgesellschaft ständig vor Augen zu führen. Ein solches "Insignium" der Zugehörigkeit wird selbstredend nach dem Ableben des Trägers nicht entsorgt, wie auch Großvaters Krummschwert anderer Parallelgesellschaften nicht auf den Müll, sondern an die Nachfolger weiter gegeben wird: ein solches Insignium der Knechtschaft ("Right or wrong, my country") wird selbstredend vererbt.
Ein "Ausstieg" aus dieser fast hermetisch versiegelten Parallelgesellschaft ist, wie sich schon oft gezeigt hat, kaum möglich.
Zu Guttenberg hin oder her, zumindest versucht hier ein Mitglied aus diesem verschlossenen Milieu, die Grenzen der Parallelgesellschaft zur Demokratie hin zu durchbrechen, ja, zu durchstoßen, mit scharfem militärischen Dolch quasi, auf dass er mit seinem Versuch vielleicht irgendwann einmal von der Nachwelt als Held gesehen wird.
"I Was Legend", wird er dann als Mummelgreis murmeln, und das zu Recht.
1 Kommentar:
Ob es auch eine besondere Tendenz zum Urkundenfälschen gibt (oder nur die gewöhnliche, der auch der Plebs anhängt?) Ich habe eben nach meiner ersten und gänzlich unerfüllten Liebe, einem siegelberingten Jüngling mit blonden Locken und, ach!, unwiderstehlichem Lächeln, gegoogelt.
Er ist Anlageberater und hat seine unruhige schulische Laufbahn, von der ich weiß, dass sie mindestens drei Schulwechsel in der Mittel- und Oberstufe umfasst, dezent auf einen Langzeitaufenthalt am Wirtschaftsgymnasium reduziert.
Und das Lächeln? Pomadig ...
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