Fundstück: Ein unschöner alter Text

(Ich hab den Text Ender 90er Jahre geschrieben. Aber man kann ihn durch Austausch des Patienten schnell aktualisieren.)
Visite

   …Hallo, Hallo....Sind Sie wach? Na Gottseidank. Wir haben schon gedacht, Sie wären uns abgegangen. Aber ist ja noch mal gut...
   Ja.
   Schön.
   Sie wissen auch, wer und wo sie sind? Ja. In der Klinik.  Ist nicht ganz einfach gewesen mit Ihnen... Sie erinnern sich. Wir haben ja damals schon gesagt, Ihre Beschwerden müßten erstmal ganz, ganz sorgfältig geprüft werden, ehe wir behandeln. Und, was soll ich Ihnen sagen: Eine Operation war die einzige Möglichkeit. Das haben wir im Team noch lange diskutiert. Ist ja kein ganz einfacher, kein ganz risikoloser Eingriff. Ehrlich gesagt, auch für uns nicht. Aber wir haben es dann doch versucht... ich meine, wenn die roten Blutkörperchen immer weniger werden – dann kann das nur an einem ganz üblen Krebs liegen – und den muß man dann rausschneiden. Mit präzisen Schnitten entfernen.
   Zugegeben, ohne Betäubung. Aber es war so verdammt eilig. Wir haben nicht mal mehr die Genehmigung von der Leitung einholen können.
   Da geht dann schon mal was schief.
   Aber ihr linkes Bein wäre wahrscheinlich sowieso nicht zu retten gewesen, das hat sich schon nach der ersten OP bestätigt. Beim rechten Bein haben wir dann auch festgestellt, das der Krebs schon fast überall sitzt und immer agressiver wird. Auf einem Röntgenbild sah dann die Niere schlimm aus – nun ja, die haben wir dann auch sicherheitshalber rausgenommen.
   Und jetzt kommt was komisches: Hinterher, stellen Sie sich das mal vor! – hinterher haben wir gemerkt, daß es da irgendeine Verwechslung gegeben haben muß - das war gar nicht Ihr Röntgenbild. Hahaha. Ihre Niere war noch völlig in Ordnung! Kerngesund! Da haben Sie richtig Glück gehabt.
   Neinnein, gut geht es Ihnen deswegen noch lange nicht. Wir müssen weiteroperieren. Ihre roten Blutkörperchen werden nämlich immer noch weniger. Und daß das klar ist: das hat absolut nichts mit dem Blutverlust bei den Operationen zu tun. Wenn wir erstmal mit allem durch sind, kommen Sie ganz sicher wieder in Ordnung. Auch der Milzriß.
   Das mit dem Schädeltrauma tut uns natürlich leid. Aber das passiert schon mal in der Hektik, wenn man ganze Nächte durchschnippelt, das einem da was runterfällt. Eine Pinzette, ein Tupfer, und manchmal eben auch ein Patient. Dochdoch, das kriegen wir schon wieder hin, wenn erst mal der Krebs draußen ist, müssen wir eigentlich nur noch ein bißchen aufräumen, und fertig. Und bis dahin müssen Sie eben die Zähne zusammenbeißen – also die noch da sind – und dann haben Sie schon so gut wie gewonnen.
   Alles klar, Herr Kosovo? Dann können wir ja wieder.
   Schwester! Skalpell!

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