Besoffen. Und nicht erst seit gestern.

In der deutschen Weltpresse und überall sonst auch wird gerade ganz topaktuell (und überaus empört) darüber berichtet, dass bei der Bundeswehr zuviel Alkohol getrunken würde, dass Vorgesetzte ihre Untergebenen schikanieren und dass Bundeswirtschaftsverteidigungsminister Underberg Guttenberg der Sache nachgehen will.

Hallo?

Mein Wehrdienst, der damals noch 15 Monate dauerte und den ich auf zwei Jahre verlängerte*, ist inzwischen etwa 30 Jahre her. Und ich werde jetzt mal enthüllen, was da – in der Zweiten Kompanie des Fernmeldebataillons 6 in der Hindenburg-Kaserne – so passierte:
  • Der Unteroffizier René B. (Zeitsoldat, 4 Jahre) weckte nachts den Obergefreiten Thies T., indem er sich an sein Etagenbett schlich und dem Obergefreiten ein brennendes Feuerzeug an den großen Zeh hielt. 
  • Bei Schießübungen (liegend, aufgestützt) erfreute sich der Unteroffizier L. damit, den Untergebenen kräftig die Hacken seitlich auf den Boden zu treten, meist mit den Worten: "Im Feld wär Dir Deine Hacke schon längst weggeschossen. 
  • Der Oberfeldwebel und Ausbildungsleiter K. empfahl Rekruten während der Grundausbildung Lebensversicherungen der BHW. Praktischerweise konnte sie ihren Vertrag gleich bei ihm abschließen und wurden danach deutlich weniger schikaniert.
  • Bei Übungen "im Felde" besoff sich eine ganze Reihe von Unteroffizieren, (die sogenannten Truppführer) meist gegen Abend. Die spätere Nacht hinten auf dem mit altmodischem Elektronikschrott vollgestopften LKW durften die Mannschaftsdienstgrade wachbleiben, während die Truppführer vorn im Führerhaus ihren Rausch ausschliefen.  
  • Als Zeitsoldat wurde ich irgendwann auch UA (Unteroffiziersanwärter). Meine künftigen Dienstgrad-Kollegen drohten mir lustige Rituale zur Unteroffizierstaufe an, die Übungen waren entweder ekelerregend oder schwerstbesoffenmachend oder beides. (Zum Glück verletzte ich mir das Knie, wodurch sich der Unteroffizierslehrgang dann erledigt hatte.)
  • Der obengenannte Unteroffizier René B. kannte übrigens alle Weltkrieg-2-Helden (die deutschen, versteht sich) und sowieso von wichtigen Parteigenossen des 1000-jährigen Reichs die Geburtstage und feierte sie auch. Nachts gegen zwei brüllte er dann das Horst-Wessel-Lied durch die Flure. 
  • Ich habe mehrfach gleich nach Dienstschluss Rum mit Instant-Orangensaft verbessert. Dieses Pulverzeug kam übrigens aus dem so genannten EPA, einem Karton voller haltbarer Widerlichkeiten Nahrung für den Einsatz im Gelände, der auch Zumutungen Spezialitäten wie Tubenkäse und Hartkeks enthielt. Meine "Kameraden" und ich haben uns mit diesem Dreck zielgerichtet besoffen und ganz folgerichtig ist es mir auch einmal gelungen, schon um 20 Uhr 30 nicht mehr rechtzeitig aufzuwachen und statt des Clos das gesamte Etagenbett vollzukotzen. War das bitter!
  • Mein späterer Studienkollege und guter Freund Christian M. schließlich war während seiner Wehrpflichtzeit vom Dienst an der Waffe wegen (wohl vorsätzlicher) Ungeschicklichkeit ausgeschlossen. Stattdessen durfte er im Offizierskasino Bier zapfen. Er berichtet, dass dort viel Bier getrunken wurde – so viel, das sich niemand wunderte, wenn er noch in der Nacht schweren Durchfall kriegte. Dabei lag das an dem nahezu geschmacksneutralen Abführmittel, mit dem Christian M. das eine oder andere Frühmorgenpils verfeinerte. 




*Ich war jung und brauchte das Geld.

2 Kommentare:

Kiki hat gesagt…

"Ich war jung und brauchte das Geld" hat sich bei 15 Mon. Wehrpflicht ja noch gelohnt. Hat mein Herzbube damals auch gemacht. Die Hartkekse a.k.a. Panzerplatten aus dem EPA durfte er bei mir abliefern - aus unerfindlichen Gründen konnte ich mir eine Weile echt kartonweise reinpfeifen.

Christian M. hat gesagt…

lieber thies,

schönen dank für die ehrende erwähnung bei deinem kleinen bundeswehr-rückblick, eins allerdings stimmt nicht ganz: vom dienst an der waffe wurde ich nicht wegen wohl vorsätzlicher ungeschicklichkeit ausgeschlossen, im gegenteil. ich hatte mir während der grundausbildung das linken handgelenk gebrochen, und hatte darum wochenlang den ganzen arm in gips, auch noch, als ich dann zu meiner sanitätseinheit kam. am tag, als der gips abgenommen wurde, wurde ich anschließend sofort zum schießplatz gefahren, dort war nämlich das vierteljährliche vergleichsschießen unterofizier/mannschaften angesetzt. wegen des bruchs war ich an der pistole gar nicht mehr ausgebildet worden, wurde also dort erstmals eingewiesen, schoß dann erst dreimal mit dem ding und dann noch mal mit dem g3. am nachsten tag war der spieß, der mich ohnehin etwas auf dem kieker hatte, äußerst mürrisch, und bald darauf stellte sich auch heraus, warum: ich war der beste schütze der kompanie, und er mußte mir vor dem angetretenen haufen eine schön mit scriptol und ziehfeder ausgefertigte urkunde (habe ich heute noch) und einen silbernen wanderpokal überreichen. ein bißchen, nehme ich an, hat ihn das auch motiviert, mich dann ins offizierskasino abzuschieben. besser hätte ich's dann allerdings auch nicht treffen können.