Gepostet mit meinem iPad*

Vor sechs, vielleicht sieben Jahren hatte ich einen Auftrag, in dessen Verlauf ich auch mit meinem Kunden, einigen seiner Mitarbeiter und seiner Lebensgefährtin eine Reise machte, bei der wir zeitweise alle in einem großen, gut ausgestatteten Bus saßen. Damals war ich, zugegeben, neidisch auf das klobige, vieltastige Gerät, mit dem mein Kunde E-Mails abrufen und gar versenden konnte, mit dem er musikalisch untermaltes Tetris spielte und eben auch noch telefonierte. Das Ding hieß Palm Treo und war technisch wie preislich das Nonplusultra. Ich hingegen hatte nur ein doofes, marzipanbrotartiges Nokiateil mit deutlich angeflanschter Antenne und sonst nix. Natürlich konnte ich in so einem Fall nur eins tun: die Intellektuellenattitüde pflegen und behaupten, so ein Spielzeug wie das Treo bräuchte ich nicht, was im Übrigen bei ihm wie bei mir absolut der Wahrheit entsprach.
Dass ein Funktelefon und vor allem, dass ein ganz bestimmtes Funktelefon ein Statussymbol sein kann wie früher die S-Klasse von Mercedes oder heute der für einen Kleinwagen deutlich überteuerte Mini - das wurde mir damals zum ersten Mal deutlich.

Heute steige ich in Hamburg-Poppenbüttel in die S-Bahn und sitze topmodisch gesteilten gestylten Unterprimanern gegenüber, die von ihren iPhones aus topwichtige Dates abmachen, laut sind sie und auffallen wollen sie und merken nicht, dass diese Handyzeigerei ein bisschen wirkt wie einst, in früher Pubertät, der Wettbewerb, wer am höchsten und oder weitesten pissen** konnte. Genau das ist es dann ja auch.
Für mich neu und durchaus verblüffend ist, wie eben dieses "Baby,ichbinderGrösste"-Geschwurbel und Geschwalle praktischerweise von den Accessoiristen*** - so will ich die Anbieter derartiger technischer Überflüssigkeiten mal nennen - bereits vorformuliert und ins Gerät eingegeben ist: Von einem durchaus vernünftigen und intelligenten Mann hoch in den 60ern erhielt ich eine Mail, deren letzte Zeile etwas kleiner und in edlem Grau verkündete: Versandt von meinem iPhone. Das ist fast schon Grund genug, keins haben zu wollen. Und wenn man nun schon mal eins hat, was ja passieren kann, sollte man wenigstens diese affige Zeile vorm Versenden von Mails löschen. Kommt im Übrigen auch gut auf Parties, beiläufig zu erzählen, dass man diese oberflächlich beeindrucken wollende Blenderzeile natürlich gleich bei Inbetriebnahme des iPhone entfernt hat. Da steht man gleich schon etwas interessanter da... - und es könnte ein vielversprechender Abend werden.
Und wieder mal stehe ich etwas verwundert da und frage mich, ob meine Gedanken dazu nicht in einen kleinen, selbstironischen Text gegossen werden sollten.

*Es ist gar nicht mein iPad, sondern das eines meiner Auftraggeber, aber all diese Information in der Überschrift wäre erstens zu langatmig und zweitens nicht so beeindruckend gewesen. 
**Dieser Begriff scheint unpassend und ordinär, besonders in einem hochklassig anspruchsvoll formulierten Text wie diesem. Andererseits ist er der einzig treffende. 
***Ja, das Wort "Accessoiristen" ist eitel. Aber sind wir das nicht alle?

2 Kommentare:

Babo hat gesagt…

Wer fragt noch nach Inhalten, wenn die Apptitüde stimmt?!

Kate Roar hat gesagt…

Jahrelang habe ich diese Zeilen unter den Mails belächelt oder meine Antworten hier und da vorgeblich von Phantasieschreibgeräten verschickt. Bis vor drei Wochen. Da schleppte mein Lebensabschnittsmensch ein hochmodernes Tablet (übrigens ganz ohne angebissenen Apfel) an, das in Zukunft den häuslichen Internetzugang deutlich vereinfachen und schneller ermöglichen soll (was es auch tut). Nach den letzten drei Versuchen, einen halbwegs anständigen Text mittels der eingeblendeten Touchtastatur zu verfassen, weiß ich jetzt endlich, warum diese vermeintlich stolze Zeile unter solchen Texten erscheint: Sie ist eine vorweggenommene Entschuldigung für grausige Rechtschreibfehler, abenteuerliche Zeichensetzung und unübliche Wahl von Umlauten. Seufz.

Aber vielen Dank für das Wort "Accessoiristen". Das merk ich mir. :-)

Gruß, Kate